Issue 
(1906) 07
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ihnen auf wie damals imtollen Jahr". Hundert Erinne­rungen bildeten die Brücke.

Weißt du, Schatz," sagte er zärtlich, ein wenig leiser, vielleicht auch plötzlich ein wenig schüchterner,gestern nach­mittag, wo ich noch einmal bei Gneitsch war, da Hab' ich mir so allerlei Zukunftspläne gemacht. Ja, wirklich, du. Natürlich wirst du mich auslachen. Aber sagen muß ich dir's doch."

Ost schloß sie die Augen, während er sprach. Sie legte im immer langsamer, immer verträumter werdenden Hinschlendern ihre Wange auf seine Schulter und lauschte. Seine Stimme tat ihr wohl. Sie wußte jetzt, daß sie in der ganzen Zeit am meisten nach seiner Stimme Sehnsucht gehabt hatte, freilich ohne daß sie sich's bisher eingestanden hätte. Es war ein so rührender, herzlicher Klang darin. Besonders wenn er lachte.

Du, du!" flüsterte sie, kaum dem Sinn folgend. Und einmal wandte sie, leise, ohne daß er's merken sollte, das Ge­sicht noch mehr herum und küßte ihn auf die Schulter.

Sieh mal, ob die Stellung jetzt dauernd sein wird, das hängt bloß von mir ab. Glänzend kann's im ersten Jahr ja nicht sein. Aber auf viertausend komm ich sicher. Und sobald ich Tantieme kriege - das garantiert mir Gneitsch dann wird's sofort um zweitausend mehr. Mindestens, sagt Gneitsch."

Das freut mich für dich. Armer Kerl du. Himmel, wenn man bedenkt, was wir damals hatten. Und man hat's da gar nicht als so was Besonderes angesehen. Und jetzt!"

Er hatte sie umfaßt. Er fühlte ihre Gestalt an seiner Seite, er fühlte ihr Atmen, es war wie eine unausgesetzte Liebkosung. Schmiegsam fügte sich ihr junger elastischer Körper jeder Bewegung beim Weiterschreiten.

Siehst du, Asta, wenn ich dir dann mal schreibe so in ein paar Monaten daß alles in Ordnung ist, daß ich mich eingefuchst Hab' vorausgesetzt, daß mit Dittrich ein Auskommen ist - na, was sagst du?"

Sie wußte wohl, was er meinte. Es rührte sie bloß, es erschreckte oder überraschte sie gar nicht. Aber sie fragte, damit er's aussprach. Denn sie empfand es wie einen Liebestraum, den sie in langen, schwelgerischen Zügen auskosten wollte.

Na ja, Kleine daß du zu mir kommst." Er wiegte sie leicht in seinem Arm. Plötzlich blieb er stehen und küßte' sie wieder.

Sie hielten nun hart am Wasser. Wie ein Riesenstrauß tauchte die Pfaueninsel mit dem dichten Fliedergebüsch aus der Havel. Segelboote strichen über die blaue Flut hin das Sonnenlicht tanzte über den kleinen, weißen Schaumkämmen. Hinter ihm stieg der Kiefernwald, an dessen Saum Weiden und Birken standen, bis zur Chaussee empor, auf der Wagen und Kremser, Autos und Räder in unregelmäßigem Zuge ver­kehrten. Man hörte Helle Kinderstimmen singen, manchmal tönten Signale dazwischen auch das Glockenzeichen von einem der weißen, dichtbesetzten Dampfer, von denen ihnen ab und zu irgend ein gutaufgelegter Fahrgast, dessen Gesicht man auf die Entfernung nicht erkannte, mit dem Taschentuch unter HellemHallo!" zuwinkte - - und aus den oben vorbei­rollenden Kremsern vernahm man das Bruchstück eines Männer­quartetts, einmal auch den Marsch eines im Wagen fahrenden kleinen Bläserchors.

Asta überkam eine Weichheit, eine Rührung, die sie nie zuvor gekannt hatte.

Sie setzte sich auf eine der roten Riesenwurzeln, die sich bankartig am Waldrand unter einer alten Kiefer hinzogen. Nicht weit davon, dicht am Ufer, lagen zwei Radfahrerpärchen auf ausgebreiteten Plaids. Man hörte sie lachen und schwatzen. Und dazwischen sang eines der jungen Mädchen mit hübscher Stimme einen sentimentalen Operettenwalzer, der gerade populär war. Sie berlinerte stark, und der Text paßte zu dem Wald- und Seebild wie die Faust aufs Auge; aber in die feiertäg­liche Morgenstimmung fügte sich's trotzdem, weil die Melodie so etwas Sehnsüchtiges hatte.

Du sagst ja gar nichts, kleine Asta?" fragte Theo, der dicht bei ihr einen Platz gefunden hatte, etwas leiser.

Ihr Matrosenhütchen war von ihrem Schoß auf den Wald­boden hinabgesunken. Der leichte Wind spielte mit ihrem an den Schläfen immer so bald sich lösenden goldblonden Haar. Sie hielt das rechte Knie mit den gefalteten Händen umfaßt und blickte verträumt übers Wasser hin.

Was kann ich denn darauf sagen, Theo?" gab sie ihm zurück, mit schmerzlicher oder doch wehmütiger Bewegung ihrer Stimme.

Du meinst also: es ist unmöglich?"

Darauf schwieg sie wieder, sie seufzte nur.

Er war weiter hinabgerutscht und lehnte mit dem Ohr an ihrem Knie, zu ihr aufblickend. Still lag er so,

lange Zeit.

Du sag' mal ehrlich spielt da 'was anderes? . . . Nein, große Reden brauchst du nicht erst zu schwingen. Ent­weder ist's oder es ist nicht. Bloß einmal, ein einziges Mal ganz offen, Asta. He willst du?"

Ein paar Sekunden lang zitterte der Verdacht in ihr, er hätte ihr nachgespürt und fragte sie jetzt nur, um sie auf die Probe zu stellen. Aber sein ganzer Ausdruck, die Weichheit in ihm, die naive Herzlichkeit seines Vertrauens entwaffneten sie. So offen, wie er's wollte, konnte sie nicht sein. Auch jetzt nicht, trotzdem ihr Herz so stark bewegt war. Ihr Innerstes verriet sie nie vielleicht nicht einmal sich selber. Ein Stück Komödie lebte und webte in allem mit, was sie tat und sagte. Und so war ihr's auch unmöglich, ihm auseinander­zusetzen, was für Beziehungen sie zum Hause Gernot unter­hielt. Das kam ihr jetzt wie ein ganz anderes Leben vor wie das Leben einer Fremden, mit der sie kaum etwas verband. Daß um sie geworben wurde, das bestritt sie nicht. Schon mehrmals hatte sie Bewerber gehabt. Und jetzt handelte sich's um eine Partie, um die sie Tausende in ihrer Lage wohl be­neidet haben würden. Ein Reichtum bot sich ihr dar, der sie selbst oft schwindeln machte.

Aber das entscheidende Wort ist noch nicht gesprochen," sagte sie, etwas düsterer vor sich hinblickend.Und jetzt heute will ich auch gar nicht daran denken." Sie seufzte schwer und tief auf.

Allmählich war aller Glanz in seinem bittend gespannten Blick erloschen. Er nickte melancholisch.Aber Papa will natürlich, daß du ihn heiratest?"

Ach, frag' doch nicht weiter, Theo, es quält uns doch nur."

Also liebst du ihn nicht? Er ist alt, wie? Ist es das?"

Ja, wenigstens ... Er hat eine erwachsene Tochter. . . Ach, ich kann doch nicht so mit dir darüber sprechen."

Theo sagte in bitterem Ton:Weißt du, daß sich ein Weib wie du so so geradezu verkaufen soll das ist doch schon ein grausamer Gedanke."

Nach einem kurzen Schweigen sagte sie leise:Ich hab's selbst nicht geahnt, wie grausam es ist. So recht weiß ich's erst jetzt."

Seit wann, Asta?"

Das ahnst du doch. Nicht?"

Sie hatte das ganz leise gesagt. Wie ein Hauch war's, der zärtlich über ihn hinstrich. Er schlang plötzlich seine Arme um ihre Knie und preßte sein Antlitz gegen ihr Kleid. Dabei ging ein Zucken durch seine Schultern.

Theo!" mahnte sie ängstlich.

Er riß sich plötzlich los, stand auf und ging bis ans Wasser, ihr den Rücken kehrend. Ein paarmal gebrauchte er das Taschentuch. Dann steckte er beide Hände in die Taschen und summte vor sich hin. Es war das Steuermannsliedchen aus demTristan". Da eine Folge von Wellen herüberrollte, die ein vorbeifahrender Dampfer aufwühlte, so trat er auf einen großen Stein. Vom Verdeck des kleinen Fahrzeuges winkten ein paar junge Mädchen mit Hellen Sonnenschirmen und Taschentüchern. Die Radfahrer erhoben sich sofort und gingen auf den Gruß ein.Ho-jup!" --All Heil!"