Heft 
(1906) 07
Seite
139
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Juhuhu!" scholl's hin und her. Theo von Gamp hatte den Hut abgenommen. Er sang nun lauter und freier:

Sind's deiner Seufzer Wehen,

Die mir die Segel blähen?

Wehe, wehe, du Wind,

Mein irisches Kind!"

Seine Stimme klang sehr frisch und jugendlich; aber Asta hörte einen Unterton heraus, der ihr geradezu wehe tat.

Theo!" rief sie bittend. Doch sie wurde nicht gehörtim Wind und bei demHa lo!" -Rufen der anderen.

Sind's deiner Seufzer Wehen!"

sang er wieder. Aber jetzt kam Kraft und etwas wie Aus­gelassenheit in seinen Ton. Und er wendete sich um und rief lachend:Asta hast du die kleine Dicke gesehen? Auf dem Dampfer drüben? Die mit dem Mohnblumenhut?"

Sie merkte, er wollte seiner Bewegung Herr werden. Unschlüssig saß sie noch da und starrte auf den Moosboden.

Mit einem Ruck erhob sie sich endlich.Komm nur!"

Er stand noch immer auf dem Stein. Gegen die Helle Luft und das blaue Wasser hob er sich mit seiner sehnigen, schlanken Gestalt und dem braunen Gesicht ungemein klar ab. Sie wäre ihm jetzt am liebsten in die Arme geflogen und Hütte ihm versichert, daß sie nie, nie, nie in ihrem Leben einen anderen Mann lieben könnte als ihn.

Eine keckere Welle spritzte gegen den Stein, auf dem er stand. Da sprang er mit einem lustigen Aufschrei auf den Uferweg zurück.

Komm!" bat sie wieder.

Er schob nun seinen Arm in den ihren, und sie wanderten weiter.

Biel ruhiger, fast kameradschaftlich, sprach sie dann über den Fall. Es wären ja zumeist Versorgungsgründe, die sie bewegen müßten, einen Antrag anzunehmen, der sie vor allerlei Mißgeschick bewahrte.

Ob das Glück dich in dem fremden Hause nun erwartet oder nicht?" Das war das einzige, was er einschaltete.

Sie sagte, so wie die Dinge jetzt bei ihrem Vater lägen, ginge es ja keinesfalls weiter; das müßte er doch auch bedenken.

Gerade bei dem Unfall Hab' ich's wieder gesehen. Wenn Vater nun plötzlich seinen Dienst nicht mehr tun kann, was dann? Er hat noch ein Vierteljahr Gehalt, und damit ist alles vorbei. Dann kann ich mich wieder als Reisebegleiterin in der Welt herumdrücken. Oder soll ich Handschuhe nähen? Weißt du, Arbeit Hab' ich zu Hause redlich, das kümmert mich weiter nicht, und ich tu's auch ganz gern. Frag' Papa. Aber so mit eins wieder unter den Schlitten kommen ach, das ist gräßlich. Nein, nein, noch einmal ertrüg' ich's auch gar nicht. Lieber ins Wasser!"

Was leiden, was darben und sich demütigen müssen heißt, das hatte er erfahren. Er konnte sich seine glänzende, berückende junge Frau nicht in ähnlicher Lage vorstellen es war die ganze Zeit über seine feste Zuversicht gewesen, daß ihr's gut ging.

Ja, siehst du, Theo, daß bei uns Frauen aber noch etwas anderes mitspricht als bei euch, das bedenkst du gar nicht. Und darum haben wir's doch noch viel, viel schlimmer."

Was?" fragte er unsicher.

Wenn man hübsch ist, meine ich."

Er stöhnte bloß. Sie wußte nicht, wie er unter dieser unbestimmten, ganz wesenlosen und nicht einmal mehr berechtigten Eifersucht gelitten hatte.

Und siehst du auf so ein Ende will ich nicht warten."

Er hatte Fäuste gemacht.Wie ich Papa kenne er würde dich skrupellos auch da hineinschicken."

Vielleicht!"

Das Landschaftsbild wirkte nun lange nicht mehr so sonnig und fröhlich auf ihn. Eine schmerzliche Ohmnacht quälte ihn.

Warum ist Ulan denn so ein armer Teufel! Heiliger Himmel, heiliger Himmel!"

Ganz allmählich mit seinen abenteuerlichen Eingebungen, wie er möglichst rasch zu Geld kommen könnte gerieten sie wieder in einen leichteren Ton.

Wenig dürft's ja nicht sein," meinte er lächelnd, indem er im Wandern ihren Arm vertraulich umspannte.Du bist nun doch einmal ein arg verwöhntes Prinzeßchen."

Hast du früher auch gesagt immer mich aufgezogen, ich könnte nicht wirtschaften, nicht rechnen o, ich weiß noch."

Ja, du, damals in Cannes, wo du mit der neuer: Bluse für siebzig Franken ankamst, und ich hatte kaum das Reisegeld mehr."

Sie lachte.Ach, ach, ach die alte Geschichte! Nein, du, im Ernst, wenn ich Haushalten muß, dann geht's auch!"

Dann zeig's doch! Beweis mir doch dein Talent! He? In einen: halben Jahr nein, schon in einen: Vierteljahr weiß ich . . . Haha, ja, da ziehst du doch bedenklich die Stirn kraus!"

Weil du gleich wieder Schlösser im Monde siehst. Und hast eben nur ein schmales Plätzchen am Ofen."

Es würde für zwei ausreichen. Wenn man sich so recht warn: zusammenhuschelte."

Leichtsinn du."

Und du? Ja, Asta, das bist und bleibst du doch, und warst du immer: mein kleiner Paradiesvogel!"

Du!" warnte sie.

Er zog sie lachend weiter.Ja, weißt du, für alle Tage bist du für unsereinen zu gut. Du bist bloß für die Sonn­tage." Und er wiederholte es noch ein paarmal, lachend und doch mit einem bitteren Unterton:Paradiesvogel!"

Nun war es zehn Uhr. Von der Kapelle gegenüber der Pfaueninsel erklang Glockengeläute. Asta mahnte zur Rückkehr. Sie konnten noch mit dem nächsten Dampfer, der von Potsdam kam, gemeinsam bis Wannsee fahren. Aber dann mußten sie sich trennen, damit nicht etwa Bekannte von ihr, die gerade mit der Bahn kamen, sie in seiner Begleitung sähen.'

Denn unser Geheimnis muß es doch bleiben, Theo. Gelt, Liebster, du machst mich nicht unglücklich?"

Also Furcht hast du doch?"

Glaubst du, ich weiß nicht, was in dir vorgeht?"

Das ist sehr viel, Asta."

Ja. Gutes und Schlechtes."

Schlechtes? So? Auch?"

Du möchtest mich eben halten. Aber ich kann doch nicht ins Ungewisse . . . Und jetzt wär's doch noch viel gräßlicher als damals."

Vielleicht fände man sich gerade jetzt, wo man die Welt schon kennt, besser ineinander. Und auch ins Entbehren."

Entbehren"

Sie hatte das Wort nicht hörbar wiederholen wollen. Aber der Ton war doch so vielsagend, daß Theo leicht auf­lachen mußte.

Etwas abseits der schon stark angeschwollenen Menge von Ausslüglern, die gleich ihnen auf den Dampfer warteten, standen sie am Ufer nebeneinander. Sie blickten beide in die blaue Flut.

Aber eines könntest du mir doch versprechen, Asta." Ja?"

Du brauchtest dich doch nicht gleich zu binden."

Das will ich ja auch nicht."

Nun, wie du mir das schilderst . . . Wenn er nun morgen käme und dich fragte. . . Würdest du gleich alles vergessen können, was jetzt wieder zwischen uns war?"

Sie schüttelte den Kopf.

Ich bin gar nicht so Phantast wie du denkst. Aber mit den:, was doch immerhin möglich ist, darf ich doch rechnen. Gib mir eine Frist, Asta!"

Wozu denn? Ach, liebster, bester Junge!"