Heft 
(1906) 09
Seite
182
Einzelbild herunterladen

182

mit der höheren Diplomatie in kaum mehr zu erkennendem Zusammenhang stehen.

Es winde an diesem Abend wohl über keine Zeit-- und Streitfrage des Tages mit so innigem Behagen geplaudert wie über den Fall Gernot. Natürlich nur andeutungsweise immer mit dem nötigen Vorbehalt deson äit" und all das, was da von Mund zu Mund lief, kletterte auf der schwankenden Brücke der Diskretion.

Und so hatte schließlich der auf dem Empfang auch mit anwesende Doktor Heinroth, der in der neuen Montagszeitung die reizenden, immer gern gelesenen Entrefilets aus dem Reichs­tag schrieb, da er über Zwei scharfe Ohren, gute Personen kenntnis und eine reichliche Phantasie verfügte, ohne viel Mühe einen ausreichenden Stoff für seinen nächsten Artikel.

Gernot hatte in der etwas verärgerten Sonnabendstimmung nicht nach Schwarzburg schreiben wollen. Am darauffolgenden Tage hielt ihn die Vorarbeit für eine Kommissionssitzung im Schach. Und als er Montag früh sich eben an den Schreib­tisch setzen wollte, um das Versäumte nachzuholen, fiel ihm der Aussatz des ihm persönlich nur ganz flüchtig bekannten Journalisten in die Hände, der an die letzte Reichstagssitzung anknüpfte, denBierabend bei Bülow" schilderte und den Lesern ein humoristisches Bild zu geben versuchte:wie Doktor Gernot, dessen Jungbrunnen-Frische der alte Pan 8e/ml8- nicht ohne Neid zu konstatieren scheint, das Los erträgt, an die

Stelle politischer Triumphe die nicht weniger rühmenswerten Erfolge im Irrgarten des kleinen Gott Amor gerückt zu sehen."

Er las und las. Das war ja, als ob mit eins eine Meute gegen ihn losgelassen worden wäre. Nicht nur gegen ihn. Die Hauptspitzen richteten sich gegen Asta.

Pikant sein sollende Andeutungen erinnerten an die noch unaufgeklärtePedigree-Angelegenheit Lethel-Minka"in die der Gegenstand der Huldigungen des Herrn Reichstags­abgeordneten ja auch mit verwickelt war". Und in einem dunkelen, für den Eingeweihten aber ganz sinnfälligen Zu­sammenhang damit war eine Abschweifung auf dramatisches Gebiet gernacht, auf einen amüsanten Pariser Schwank, den man im Residenztheater spielte und worin derHausdame des Deputierten" eine ziemlich eindeutige Rolle zugewiesen war. Brillant war das kleine Feuilleton geschrieben, fraglos. Es unterhielt die Leser auf ein paar Minuten, selbst die, denen der innere Zusammenhang fehlte.

Als Gernot mittags den Wagen bestieg, um zur Sitzurig zu fahren, war er entschlossen, den Artikelschreiber unter allen Umständen zu einer Erklärung zu zwingen. Der ehemalige Korpsstudent war in ihm erwacht. Er wunderte sich einen Augenblick selbst über seine hitzige Art. Noch vor einem halben Jahre wäre ihm der Gedanke, daß er sich womöglich zu einer Forderung Hinreißen lassen könnte, geradezu töricht erschienen. (Fortsetzung solgt.)

Der Konflikt zwischen Österreich und Ungarn.

Von I)r. Sigmund Münz.

on einer schweren politischen Krise ist die österreichisch­ungarische Monarchie betroffen. Dadurch, daß Ungarn von der größten Verwirrung heimgesucht ist, scheint der ganze habsburgische Staat in seinen Grundfesten erschüttert. Der ungarische Konflikt spielt zwischen der Krone und dem Reichs­tage. Alle Gesetzgebung steht seit einem Jahre in Ungarn still dadurch, daß die beiden Faktoren der Legislative, der König und das Parlament, zu keinem Einvernehmen gelangen können. Die Wirkung ist für die Monarchie, daß auch die den beiden Reichshälften, will sagen Österreich und Ungarn, gemeinsame österreichisch-ungarische Regierung, da die parlamentarische Gesamtvertretung des habsburgischen Reiches, die Delegationen, nicht zusammentreten können, nicht ganz ordnungsgemäß zu walten vermag.

Dieser Streit zwischen Krone und Reichstagsmehrheit in Ungarn ist auf die Verschiedenheit zurückzuführen, mit der beide Teile jenes Ausgleichsgesetz vom Jahre 1867 auslegen, durch das, dank seinem eigentlichem Schöpfer Franz Deak, Ungarns berühmtestem Staatsmanne, jener lange Konflikt ab­geschlossen schien, der zwischen dem ungarischen Volke und der ungarischen Krone seit dem Regierungsantritt des Kaisers Franz Joseph bestanden hatte.

Als Kaiser Franz Joseph den Thron bestieg, stand Ungarn mit­ten in der Revolution. Nur mit fremder Hilfe durch den Beistand des russischen Zaren Nikolaus I. vermochte der Kaiser von Österreich über jene Revolution Herr zu werden, in der Ludwig Kossuth als Diktator von Ungarn aufgetreten war. Wohl hatten im Jahre 1849 die ungarischen Auf­ständischen bei Vilagos ihre Waffen gestreckt, aber der Sieg blieb begreiflicherweise äußerlich und die Beruhigung des Landes war nur scheinbar. Die Hinrichtung der Führer des Ausstandes, der Märtyrer von Arad, dazu das darauf­folgende System des österreichischen Ministerpräsidenten Frei­herrn von Bach, das in der Niederringung des nationalen Geistes in Ungarn, in der Zentralisierung aller Gewalten in Wien, in der gewaltsamen Auslöschung aller Spuren alt­ungarischen Verfassungslebens bestand all das erregte Ver­bitterung im ungarischen Volke, so daß von einem Frieden

zwischen der habsburgischen Krone und der ungarischen Nation keine Rede sein konnte. Kraft der alten ungarischen Verfassung muß der Kaiser von Österreich, um als König von Ungarn in der ausgedehntesten Machtfülle anerkannt zu sein, schon ein halbes Jahr nach seiner Thronbesteigung sich als König von Ungarn krönen lassen dieser Krönung aber konnte sich Kaiser Franz Joseph im Hinblick auf den Ausnahmezustand in Ungarn erst neunzehn Jahre nach seiner Thronbesteigung unter­ziehen, erst dann, als jener von Deäk verfaßte Ausgleich zwischen König und Volk zustande gekommen war. Der Deutsche Ausgleich setzte die ungarischen Verfassungsgesetze, insbesondere auch das Verhältnis Ungarns zu Österreich im Zusammenhänge mit den Gesetzen der früheren Jahrhunderte fest und umschrieb, wenn auch keineswegs mit peinlichster Genauigkeit, die Rechte und Pflichten des Königs von Ungarn. Unter anderem findet sich darin in dem Gesetzartikel 12, der über das Verhältnis Ungarns zu Österreich handelt, ein Paragraph Paragraph 11, der in deutscher Fassung folgendermaßen lautet:Infolge der verfassungsmäßigen Herrscherrechte Sr. Majestät in betreff des Kriegswesens wird alles dasjenige, was auf die einheitliche Leitung, Führung, innere Organisation der gesamten Armee und somit auch des ungarischen Heeres als eines ergänzenden Teiles der gesamten Armee Bezug hat, als der Verfügung Sr. Majestät zustehend erkannt."

Während die Krone von jeher gerade aus dem Begriffe der verfassungsmäßigen Herrscherrechte" die unbeschränkte Zuständigkeit betreffs der Organisation der Armee herleitete, legte die ungarische Unabhängigkeitspartei das Vorhandensein des Begriffesungarisches Heer" in dem Sinne aus, daß jener Teil der Armee, der in Ungarn stünde, als eine selbständige Hälfte, als ein wirklich ungarisches Heer eingerichtet werden müßte, demnach ganz in national ungarischem Geiste zu halten und auch mit der magyarischen Kommandosprache auszustatten wäre.

So lange die Unabhängigkeitspartei nur einen geringen Bruchteil des ungarischen Reichstages ausmachte, konnte sie für die selbständige ungarische Armee agitieren, ohne Aussicht jedoch, daß diese Propaganda in die Tat umgesetzt würde.