Heft 
(1906) 09
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einheitliches Ganzes nicht nur als unlitarichher Organismus, sondern auch als wirtschaftliches Zollgebiet bilden müßte. Im l 867 er Gesetz ist wohl eine Erneuerung des Ausgleiches non zehn zu zehn Jahren vorgesehen also ein genügend schwankender Zustand aber an dem einheitlichen Zollgebiete wurde nicht gerüttelt, und nun ist auch dieses der Gegenstand der heftigstell Angriffe der ungarischen Unabhängigkeitspartei, die sogar die wirtschaftliche Trennung Ungarns non Österreich zur Voraus­setzung der militärischen Losreißung macht. Freilich, Ungarn ist mehr Agrarstaat Österreich ein Industriestaat, der den Hauptmarkt für die ungarischen Bodenprodukte bildet. In Ungarn werden die größten Anstrengungen gemacht, die Industrie zu heben und auf diese Weise den Agrarstaat in den Industriestaat hinüberzuleiten. Immerhin berechnen die Kenner der Verhältnisse, daß Ungarn auf die Umwandlung in einen wirklichen Industriestaat noch zwanzig bis dreißig Jahre zu warten habe. Würden also Zollschranken zwischen den beiden Staaten aufgerichtet werden, so käme wohl eine Krise über die Industrie Österreichs, eine weit größere jedoch noch über die Landwirtschaft Ungarns. Die Mehrheit der

Bevölkerung Österreichs steht einer wirtschaftlichen Lostrennung Ungarns mit ebensowenig Sympathien gegenüber wie etwa einer militärischen Zerreißung des Reiches, sträubt sich jedoch noch entschiedener dagegen, daß, wie dies viel

fach in Ungarn begehrt wird, etwa die militärische Los­trennung durch Zugeständnis der ungarischen Kommandosprache vorbereitet würde, ohne daß auch jenes Verhältnis gelöst würde, das bis jetzt bestanden hat und demzufolge Österreich fast zwei Drittel und Ungarn nur etwas über ein Drittel zu den ge­meinsamen Ausgaben des Reiches steuert. In Österreich ist eben vielfach das Bewußtsein vorhanden, daß man noch mehr vom Standpunkte der Bevölkerungsziffer als von den: der Steuerzahlung viel zu große Lasten für den gemeinsamen Reichshaushalt im Vergleich zu Ungarn beitrage, und daß es sich nicht länger verlohne, ein ähnliches Verhältnis aufrecht zu erhalten, wenn etwa eine wirtschaftliche oder militärische Zerreißung des Reiches stattfinden sollte.

Dies ist der zum Konflikt zwischen Österreich und Ungarn erweiterte Streit zwischen der ungarischen Krone und dem ungarischen Reichstage. Doch erschöpft er sich nicht ganz in den dargelegten Punkten. Noch anderes begehrt die ungarische Reichstagsmehrheit, unter anderem Neuerungen zur Befestigung

der verfassungsmäßigen Garantien, wodurch das Recht der Krone, den Reichstag zu vertagen, beschränkt werden soll. Dies fordert die ungarische Parlamentsttrehrheit, weil sie ein für allemal verhindern will, daß das Gesetzgebungsrecht des Reichstags bei einem Konflikt zwischen Krone und Parlament in ähnlicher Weise ins Stocken gerate, wie dies seit einem Jahre durch die mehrfachen Vertagungen des Reichstags ge­schehen ist.

Auch besondere Embleme, wie Fahnen und Wappen, innerhalb der gemeinsamen Reichsinstitutionen, verlangen die Ungarn. Wenn der Kaiser nun sein eigenes Wappen

feststellen will, das die gemeinsamen Institutionen, etwa die diplomatischen Vertretungen und Konsulate im Auslande tragen sollen, so antworten die Ungarn auch darauf, daß sie dies aus staatsrechtlichen Rücksichten als unannehmbar be­zeichnen müssen.

Der König von Ungarn zeigte sich, um denUnabhängigen" entgegenzukommen, geneigt, keine Einwendung gegen eine entsprechende Geltendmachung der ungarischen Sprache in der Militärstrafprozeßordnung zu erheben. Doch erklärte er, jeg­liches Zugeständnis in bezug auf die Kommandosprache aufs entschiedenste abzulehnen. DieUnabhängigen" erwiderten darauf dem Monarchen, sie könnten es der Krone allenfalls zugestehen, daß der Reichstag aufgelöst und daß das Volk Ungarns von neuem befragt würde, ob es die Kommando­sprache wolle oder nicht.

Der König wiederum seinerseits lehnt es entschieden ab, die Frage der Kommandosprache einem Bolksvotum zu unter stellen, denn er will den Herrscher und nicht die Parlaments- Majorität als den entscheidenden Faktor in der Heeresfrage be­trachtet wissen. Es scheint, daß der König von Ungarn von der Preisgabe der einheitlichen deutschen Kommandosprache eine Schwächung der Wehrkraft besorge, die vielleicht auch den Verbündeten Österreich-Ungarns: Deutschland und Italien,

nicht ganz gleichgültig sein könnte.

So dehnt sich denn der Konflikt zwischen der Krone und dem ungarischen Parlament und der zwischen Österreich, das mehr für den Monarchen als für die ungarische Reichstags­mehrheit Partei nimmt, und Ungarn ins Unendliche.

Der neue Deäk will nicht kommen, der nach neuem Streit den Frieden zwischen Krone und Parlament in Ungarn und damit zwischen Österreich und Ungarn selbst stifte.

Emil Adolf Roßmäßler.

Ein Gedenkblatt von C. Falken Horst.

mil Adolf Roßmäßler - euren guten echten Klang hat dieser Name bei allen deutschen Naturfreunden; man nennt ihn in einem Zuge neben Vrehm, Bock, Vogt und anderen, die in früherer Zeit mit froher Zuversicht trotz aller Anfeindung nicht müde wurden, die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung dem Volke zu vermitteln. Vier Jahrzehnte sind seit Roßmäßlers Tode verflossen, aber noch heute findet man seine volkstümlichen Bücher in der Hand der Strebsamen, die sich selbst belehren wollen, noch wirkt er unter uns als Lehrer und Führer in den großen Schöpfungen der heimatlichen Natur, und eine große Gemeinde hat vollen Anlaß, dankbar und ehrend seinen hundertsten Geburtstag zu feiern.

Am 3. März 1806 erblickte Emil Adolf Roßmäßler als Sohn eines namhaften Kupferstechers in Leipzig das Licht der Welt. Schon als Bürgerschüler bekundete er seine Neigung für die Natur, und sie verließ ihn nicht, als er im zwölften Lebensjahre ins Gymnasium kam. Das brachte ihm aber wenig Freude; denn seine Mutter hegte den Wunsch, daß er dereinst ein tüchtiger Theolog werde, und in der altbewährten Schule galt Latein weit mehr als Tiere, Pflanzen und die toten Steine. So hatte er schon frühzeitig wegen seiner besonderen Geistesrichtung manchen harten Strauß auszu­fechten. Auch schlimmere Prüfungen sollten ihm nicht erspart bleiben. Trauer senkte sich über seine erste Jugend; im Jahre 1821 starb sein Vater, und drei Jahre darauf folgte ihm die Mutter ins Grab.

Nun verlebte er die Ferien bei einer Tante in Nischwitz; hier auf dem Lande brachten ihm jugendliche Naturstudien Trost und Ver­gessen in seinem ersten großen Lebensschmerz.

Nun kamen Jahre des freien akademischen Lebens. Dem Wunsche seiner Erzieher entsprechend, hörte der junge Roßmäßler Kirchen- und Dogmengeschichte, aber sein Geist war nicht dabei; auch die philosophischen Kollegien fesselten ihn nicht; dagegen machte er große Fortschritte in der Botanik, war bald ein trefflicher Kenner der kryptogamischen Gewächse und so bewandert in der medizinischen Botanik, daß er schon im zweiten Studienjahre darin Pharmazeuten Unterricht erteilte.

In dem thüringischen Städtchen Weida begann Roßmäßler seine Lehrtätigkeit; er stand hier einer Kollektivschule vor; alle seine freie Zeit verwendete er aber rastlos auf eigene Fortbildung. In dem Apotheker des Orts fand er einen eifrigen Genossen seiner Studien und Ausflüge. Nicht lange sollte er jedoch in Weida bleiben, schon im März 1830, als Fünfundzwanzigjähriger, wurde er als Lehrer der Geologie an die Forstakademie zu Tharandt berufen. Hier in dem anmutigen Tale der Wilden Weißeritz gründete er ein Jahr darauf sein Familienheim, schloß eine glückliche Ehe, der vier Kinder entsprossen.

Ruhig flössen anfangs die Jahre dahin; ein deutsches Gelehrten­leben nahm seinen normalen Gang. Der junge Professor machte