Heft 
(1906) 09
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weitere Studien, schrieb Lehrbücher, und die Mollusken waren ein Spezialgebiet seiner Forschung. Er begann eine Konchylien-

sammtung anzrftegen, die mit der Zeit so reichhaltig wurde, daß sie eine große Sehenswürdigkeit bildete. Emsig arbeitete er an einem umfangreichen Werke über die europäischen Land- und Süßwasser­mollusken, das man später als das wissenschaftliche Hauptwerk seines Lebens rühmte. Der Sohn des Kupferstechers zeichnete dazu selbst die Jllustrationstafeln und fertigte auch selbst die Lithographien an. Zu den Männern der Wissenschaft stand er in regen Beziehungen, auf den Versammlungen der deutschen Naturforscher in Wien und Prag tauschte er mit Fachgenossen seine Ansichten aus; im Jahre 1837 kam er in Berlin mit Alexander von Humboldt zusammen; auch sonst unternahm er Reisen, die seinen Blick erweiterten.

Wie ersprießlich aber auch seine wissenschaftliche Tätigkeit sich ge­staltete, so war Emil Roßmäßler doch kein Bahnbrecher, keiner jener genialen Geister, die die Forschung in neue Bahnen lenken. Wenn er allein bei dieser Tätigkeit geblieben wäre, so hätten wir heute kaum Anlaß, ihn so besonders warm zu feiern. Jäh sollte seine

eigentliche Gelehrtenlaufbahn abbrechen. Politische Stürme trieben ihn aus dem stillen Hafen in das bewegte Leben. Er dachte freier in religiösen Dingen und trat im Jahre 1846 mit seiner Gattin zum Deutschkatholizismus über; er war Demokrat in politischen Fragen und schloß sich in der gärenden Zeit der Fortschrittspartei an, auf ihrem Konstitutionsfeste in Tharandt trat er als Festredner auf. Er wurde zum Führer der freiheitlichen Bewegung in seiner engeren Heimat, und das Volk schenkte ihm Vertrauen; der 22. sächsische Wahlbezirk berief ihn als Nationalvertreter in die Paulskirche nach Frankfurt a. M. Hier war erein treuer, nie schwankender Kampf­genosse" auf der linken Seite des Hauses und ward zum Mit­gründer des Vereins zur Ausgleichung der religiösen Bekenntnisse und zur Begründung eines Humauitütsbundes. Im Jahre 1849 folgte er dem Bruchteile der Nationalversammlung nach Stuttgart, und damit war sein künftiges Schicksal entschieden. Wie so viele andere wurde auch Roßmäßler gemaßregelt. Ein Hochverratsprozeß wegen Teilnahme all den Stuttgarter Beschlüssen und Enthebung vom Amte eines akademischen Lehrers erwarteteil ihn bei seiner Rückkehr nach Sachsen.

So mußte er scheiden voll der liebgewonnenen Wirkungsstätte. Von nun an war er, wie er sagte,ein freier Herr seiner Zeit und seiner Kraft, ein freier Diener seines Volkes", er siedelte im Jahre 1850 nach Leipzig über und schuf sich ein neues Amt, ein Volksamt, wurde zu einem naturwissenschaftlichen Reiseprediger. Er faßte den neuen Beruf mit voller Gründlichkeit an; es war ihm klar, daß bildliche Darstellungen den Vortrag beleben und unterstützen mußten; aber damals kannte man noch nicht die Projektionsapparate, die heute bei öffentlichen Vorträgen benutzt

werden. So malte denn Roßmäßler selbst große transparente Tafeln, die zoologische Skizzen, mikroskopische Präparate und ähnliches Wieder­gaben. Anfangs hatte er nach eigenem Ausspruch einige Professoren - scheu, wie ein Bänkelsänger mit diesen kolossalen Tafeln von

Stadt zu Stadt zu Ziehen; aber die Aufnahme, die er bei seinen

Zuhörern fand, belehrte ihn bald, daß er das Richtige getroffen habe.Gehet hin und tuet desgleichen!" rief er den Natur­

forschern zu. Und er war ein Bahnbrecher auf diesem Gebiete der Verbreitung des Wissens.

Nachhaltiger als durch seine Vorträge wirkte er aber durch seine Schriften. Unmittelbar nach dem Ende desRumpfparlaments" in Stuttgart begann er an seinem WerkeDer Mensch im Spiegel der Natur" zu schreiben; dann folgten seinePopulären Vorträge", die schönen BücherDer Wald" undDas Wasser" und seine meister­hafte Einführung in die Kenntnis der heimatlichen NaturDie vier Jahreszeiten". Freilich mußte er sich seinen Leserkreis erst langsam

erobern. Im Vergleich zu anderen populären Schriftstellern stellte Roßmäßler mehr Anforderungen an seine Leser.Mein Buch," sagte er einmal,mutet ihnen etwas zu. Es will sie nicht bloß unter­haltend belehren oder meinetwegen auch belehrend unterhalten nein, es will sie einfach belehren."

Trotzdem verstand aber Roßmäßler in seiner Darstellung auch den leichten, feuilletonistischen Ton anzuschlagen. Dies war in seinen für Zeitschriften bestimmten Beiträgen der Fall. Als nun Ernst Keil im Jahre 1862 im Gefängnis Hubertusburg den Plan zur Gartenlaube" entwarf, beschloß er, in dem Blatte mit Nachdruck die Popularisierung der Naturwissenschaften und der Medizin zu erstreben. Was die ersteren anbelangt, so sollten in durchaus volkstümlichen und mit Abbildungen versehenen Beitrügen die wichtigsten und Nächst­liegenden Fragen aus dem Naturlebeu besprochen werden, und diese Artikel sollten so geschrieben sein,daß sie die gewöhnlichsten Hand­werker, besonders aber die Frauen, verstehcu könnten." Gleich in den ersten Nummern derGartenlaube" wurde dieses Programm durch die ArtikelserieAus der Menschenheimat. Briefe des Schul­meisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler" ver­wirklicht. Unter diesem schlichten Pseudonym verbarg sich aber Emil Adolf Roßmäßler, dem dieGartenlaube" als einem ihrer ersten und ältesten Mitarbeiter ein ehrendes und dankbares Andenken bewahrt. Er schilderte in jenen Briefen die neuesten Errungen­schaften der Naturwissenschaft in ihrer Wirkung auf die Kultur­fortschritte und das menschliche Leben. Später veröffentlichte er zahlreiche andere Artikel unter seinem wirklichen Namen, und vor allem zeigte er das Bestreben, in den Herzen seiner Leser die Liebe zur heimatlichen Natur zu wecken. In dieser Hinsicht wurde er von Ernst Keil auch anderweitig unterstützt, indem dieser Roßmäßler die Gründung der ersten deutschen populär-naturwissenschaftlichen Zeitschrift ermöglichte.

Sie erschien unter dem TitelAus der Heimat", und ihr Motto lautete;Die Natur ist weder eine allgemeine große Vorratskammer, noch eine staubige Studierstube, noch ein Betschemel, sondern unser aller gemeinsame Heimat, in der Fremdling zu sein Schande und Schaden bringt."

In der Würdigung Roßmäßlers bei der Totenfeier zählten Alfred Brehm und Franz Wiegard die wichtigeren Werke Roßmäßlers auf. Ein Büchlein aberDas Süßwasser-Aquarium" erwähnten sie nicht; es schien ihnen damals unbedeutend; und doch hat Roßmäßler gerade auf diesem Gebiete der Naturliebhaberei in Deutschland einen Samen ausgestreut, der herrlich aufgegangen ist.

Im Jahre 1856 veröffentlichte Roßmäßler in derGarten­laube" einen ArtikelDer See im Glase", der große Beachtung in ganz Deutschland fand. Später förderte er die Sache durch das oben erwähnte Büchlein. Die Zahl der Aquarienfreunde ist seitdem unermeßlich gewachsen, und diese große Schaar der Naturliebhaber feiert jetzt im Anschluß an Roßmäßlers hundertsten Geburtstag auch das fünfzigjährige Jubiläum der Einführung des Aquariums in Deutschland.

Das selbstgewählte Amt eines Volks lehrers" übte Roßmäßler bis zum letzten Atemzuge.

Noch im späten Lebensalter sagte er;Wollt ihr einen alten Manu sehen, der nur noch eine Idee in seinen: grauen: Kopse hat, so seht mich an; jene eine Idee ist aber die Schule, die Volksschule und deren Besserung." Es war ihn: nicht vergönnt, die großen Siege und die Einigung Deutschlands zu erleben. An:

8. April 1867 starb Roßmäßler in seiner Vaterstadt Leipzig. Un­

gebeugt schied der alte Kämpfer von dieser Welt; kalt ruhte schon seine Rechte in der Hand seiner treuen Gattin, die standhaft die schwarzen und die heiteren Lose mit ihm geteilt hatte, und seine erstarrenden Lippen murmelten noch die festen Worte;Ich wider­rufe nichts und habe nichts Zu bereuen!"

Im März.

O süße Kargheit, wein: das junge Grün Am Strauche sich in zarten Knospen zeigt, Wenn, nach des ersten Frühlingsregens Sprich'::, Aus schwarzer Erde Halm um Hälmchen steigt, Den weg zum Lichte zaghaft sich zu bahnen - V süße Kargheit, künft'ger Fülle Ahnen!

- "

An eine junge Seele mahnt die Zeit,

Die bangend vor der Liebe Macht erschrickt,

Dem holden Drang in sich nicht Worte leiht,

Die kaum den Blick zu dem Geliebten schickt Und doch, ob sie's gleich vor sich selbst verhülle, Durchschauert wird von künst'gen Glückes Fülle

Marie T^rol.