Heft 
(1906) 14
Seite
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Graf Rudolf Welsersheimb, der Vertreter Österreichs auf der Konferenz in Algeciras.

über das, was jenem beseligenden Anblick folgte: über sein Streben, Beatrice wieder zu begegnen, das Glücksgefühl, wenn ihm dies auf der Straße, Leim Feste oder in der Kirche gelang, die liefe Traurigkeit, wenn sie seinem Gruß nur halb dankt oder ihn gar nicht erwidert, weil sie gehört hat, daß er sich einer anderen zugewandt habe... Im Gefühl feiner Unwürdigkeit begehrt er nicht mehr nach ihrem Gruß, sondern will sie nur noch preisen und verehren, er sieht in ihr hinfort

die Verkörperung aller himm­lischen Reinheit und Schönheit. Aber sie stirbt jung, nun sucht sein Blick sie über den Sternen, und er will in einer Dichtung von ihr sagen,was noch nie von einer 'menschlichen Kreatur gesagt wurde". Ob diese, so unirdisch Geliebte wirklich, wie Dantes Zeitgenossen annehmen, Beatrice Portinari war, die als Kind und Jungfrau in Dantes Gesichtskreis lebte, sich verhei­ratete und mit vierundzwanzig Jahren starb, ist völlig ungewiß, denn der Name Beatrice für die Lichtgestalt derGöttlichen Komödie", die himmlische Füh­rerin und Trösterin, kann er­funden fein. Aber die Nach­welt hielt fest, was Dante von ihrem irdischen Leben erzählt, und die bildende Kunst, die der ungeheuren, weltumfassendenGöttlichen Komödie" erhabene Vorbilder entnahm, lieble es auch von jeher, die Begegnung des noch jungen, schüchtern liebenden Dante mit der hold­seligen, aber ernst gemessenen Beatrice vor dem Stadttor von Florenz in der vollen Blütenpracht des Frühlings zu schildern, wie wir sie hier auf dem Bilde von N. Sorbi sehen.

Hraf NudolsWetsersheimb. (Zu dem obenstehenden Bildnis.) Das Bildnis des Mannes, der mit so außerordentlichem Takt zwischen den oft schroff sich gegenüberstehenden Meinungen der Konserenzmitglieder in Alge­ciras vermittelt, wird für unsere Leser von besonderem Interesse sein. Graf Welsersheimb ist seit 1904 österreichisch-ungarischer Botchaster am Ma­drider Hofe und nimmt als Vertreter Österreichs an der Konferenz in Algeciras teil. Es ist bekannt, welch' glückliche Vermittlungsvorschläge er wiederholt einbrachte und wie treu er die deutsch - österreichische Bundesgenossenschaft betont.

Krau aus dem Molke. (Zu der nebenstehenden Abbildung.) In das furchtbare Drama von Cour- riöres, dessen Nachhall uns alle noch durchzittert, hat die freiwillige Hilfstätigkeit der deutschen Berg­leute einen schönen, versöhnenden Zug gebracht. Sie hat gezeigt, daß höher und stärker als alle politischen Gegensätze, alle Rasjenunterschiede das schlicht Menschliche ist, die er­barmende Nächstenliebe. In Frank­reich selbst hat jene Tat tiefen Ein­druck gemacht, und der Wunsch, den wackeren Rettern ein sichtbares Zeichen der Dankbarkeit zu über­reichen, hat ein Komitee ins Leben gerufen, das auf Anregung des Herrn Lucien Descaves an die Witwe Meuniers herangetreten ist mit der Bitte, die Nachbildung des wunderbaren Bildwerks ihres MannesDie Frau aus dem Volle" in Bronze zu gestatten.

Frau Meunier bat, an der Sym­pathiekundgebung teilnehmen zu dürfen, und widmete die Büste selbst.

Ergreifender hätte die Erinnerung jener furchtbaren Katastrophe und der Dank des französischen Volkes nicht zum Ausdruck gebracht werden können als durch dieses Bildnis einer der ungezählten Märtyrerinnen der Arbeit, der Entbehrung.

Mene tunesische ZSrref- marken. (Mit den obenstehenden Abbildungen.) Die Briefmarken­sammler unter unseren Lesern Werder: jubeln beim Anblick dieser beider: in Frankreich für das tunesische

Tunesische Briefmarken.

Frau aus dem Volke. Büste von Constantin Meunier.

Schutzgebiet entworfenen Postzeichen verschiedenen Wertes, die einer größeren Serie entnommen sind. Sie haben nichts von der Nüchternheit unserer deutschen Marken an sich; eine Künstlerhand hat sie entworfen, die des Pariser Malers Louis Dumoulin, der den Titel:Maler des Marineministeriums" führt. Auf Anregung des Generalresidenten Pichon verwendete Dumoulin vier Momente aus der tunessichen Geschichte als Motive, und zwar erinnert die untere der hier abgebildeten Marken mit ihren aus der Wüste ausragenden Ruinen der Hadrian-Wasserleitung an die römische Herr­schaft, und die obere führt in die muselmünnijche Zeit: man sieht zwei arabische Studenten gen Kairuan, die heilige Stadt der Schulen und Moscheen, pilgern. Die künstlerisch schönen Marken, die auch für Nichtsammler interessant sind, gelangten erst in wenige Hände: ein paar Wiener Philatelisten sind die glücklichen Besitzer.

Kirre Höerraschimg. (Zu dem Bilde auf Seite 299.) Wohl jeder Grünrock weiß ohne Jägerlatein zu sprechen davon zu berichten, daß Rehe und Hirsche sich unter die weidende Herde mischen und mit ihr weiter ziehen. Wo Waldweide noch gewährt wird, darf kein Hund mitgeführt werden, weil seine Passion ihn bald zu kleinen Treibjagden auf eigene Faust verführen würde.

Und der alte Herr, der in be­schaulicher Muße der Herde folgt, besitzt meistens zu wenig Jagdpassion, um das mitziehende Wild zu scheuchen. Es herrscht tatsächlich ein befreundetes Verhältnis zwischen Vieh und Wild. In den seltensten Fällen läßt sich das ruhende Wild von dem Weidevieh stören. Selbst Herr Lampe, der doch stets bereit ist, sein Panier zu ergreifen, bleibt inmitten der ihn umgebenden Schasherde ruhig im Lager sitzen. Da erinnere ich mich an eine kleine Beobachtung .... Auf einem Pirschgang, den ich vor langer Zeit einmal in der Jo­hannisburger Heide machte, fand ich am Waldrande den Schäfer sitzen. Der Alte mit den weißen bis auf die Schulter herab­wallenden Haaren war ein guter Bekannter von mir, eigentlich schon von Kindesbeinen an. Er konnte im Frühjahr von Weide und

Aspe so schöne Flöten drehen, und als Knabe hatte ich stunden­lang bei ihm gesessen und den weichen Tönen gelauscht, die er dem vergänglichen Instrument ent­lockte. Jetzt saß er im Grenz­graben, umgeben von srischgeschnit- tenen Kieserwurzeln, die er mit scharfer Klinge spaltete, um einen Korb daraus zu flechten. Auf dem Grabenrand lag sein treuer Gefährte, ein echter Schäferhund, und bewachte die Herde. Ich blieb stehen, um den Alten zu begrüßen und auszufragen. Denn er wußte alles, was um ihn in der Natur vorging. Er sah abends den Hirsch aus dem Walde treten, er wußte, wo der Kiebitz sein Nest hatte, er konnte zu jeder Stunde des Tages den Aufen-t-, halt der Rebhühner angeben. Wäh­rend wir noch sprachen, entstand eine Bewegung in der Schafherde. Die beim Weiden langsam vor­wärts trippelnden Tiere blieben stehen. Von den Seilen kamen einige dazu, w daß im Augenblick ein Kreis von Tieren sich um einen leeren Platz gebildet hatte. Was ist dort?" Der Alte hob den Kopf.Da wird ein Haske sitzen."Rückt der denn nicht aus?"Wieso soll er ausrücken? Er kennt doch die Schafe und sie kennen ihn! Jeden Tag finden sie ihn." Und richtig! Nachdem sie den Lepus einen Augenblick ver­wundert angestarrt hatten, zogen die Schafe weiter .... Dann ging ich hin und schoß den dicken, wohl­genährter: Krummen tot. . . So ist der Mensch ... F. Sk.

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