Heft 
(1906) 15
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darauf. Auch als die Flamme wieder kleiner wurde, schob sie ihr keinen neuen Brennstoff zur Nahrung zu. Knisternd und leise raschelnd erlosch das Feuer . . . sie dachten beide nicht ans Mittagsessen.

Spüler, als zitternde Reden an Stelle des willenlosen Schluchzens getreten waren, als Georg ein wenig ruhiger geworden war, bestand Frau Bang darauf, daß sich der Bub für eine Stunde niederlegte. Und so erschöpft war er oon all dem Schmerz, daß ihn der Schlaf umfing, obwohl ihm die Augen naß von Tranen waren und sein Atem noch zitternd auf und nieder ging.

Abends kam Herr Franz Schneeberger. Als er ins Zimmer trat, da wußte er schon, was geschehen war. Frau Bang hatte ihn: gleich, als er nach Hause gekommen war, im Vorzimmer die schlimme Nachricht mitgeteilt. Still und ernst drückte er sich nun herüber. Schon gleich sein Klopfen an der Tür

war leiser, zaghafter gewesen als sonst. Und wortlos sinnend saß er dann lange mit Frau Marie Bang und Georg an dem Tische. Das leise Schmatzen, wie er an der Pfeife sog, war wohl das einzige Geräusch. Verstohlen blickte er manchmal nach Georg, aber er sagte nichts, nur um die Augen ging's ihm wie ein Zucken.

Und als er, früher noch als sonst, sich dann erhob, strich er, der jeder zärtlichen Regung doch sonst so ferne stand, mit einer ungelenken Geste dem Buben übers Haar.

So kommt's, mein Bub sei gut das geht vorbei. Vesser noch, so seine Freunde verlieren als anders. Und früher oder später wär's ja doch gekommen. Jetzt is der ganze Kladderadatsch vorbei vielleicht is das am besten so für dich!"

Und ohne eine Antwort abzuwarten, ging Herr Schneeberger still hinaus in seine Stube . . . (Fortsetzung folgt.)

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Die Hygiene der jungen Mädcken.

Von Professor vr. k. Ueinrick Ujsck.

m das 14. bis 15. Lebensjahr treten (in unseren Klimaten) bei den jungen Mädchen jene Entwicklungsveränderungen auf, die das Kind zur heranreifenden Jungfrau umgestalten. In dieser Zeit geht eine gewaltige Umgestaltung des ganzen Organismus vor sich, der sich der Naturbestimmung des Wei­bes als zukünftiger Gattin und Mutter allmählich anpassen muß. Körperlich und geistig, innerlich und äußerlich geht diese Umwandlung vonstatten. Die ganze Gestalt erhält weichere, sanftere, schmiegsamere Formen an Stelle der bis dahin unbe­holfenen, eckigen Linien. Die Gefichtszüge runden sich mehr, der Übergang des Halses in die Schultern erhält sein gebogene Be­grenzungslinien, die Büste wölbt sich in graziöser Weise, die Hüf­ten treten harmonisch hervor, die Bewegungen werden gelenkiger und gefälliger, die ganze Figur nimmt den Ausdruck des charak­teristisch Weiblichen, des Schmiegsamen und Eleganten an.

Von diesen Veränderungen und körperlichen Ausgestaltungen des jungen Mädchens wird sein ganzes geistiges Wesen, die Gemütsstimmung und Gefühlsrichtung beeinflußt. Auch die unschuldigste und unerfahrenste Jungfrau wird von der Ahnung erfüllt, daß ihr ferneres Leben vor neuen Aufgaben steht, und von den: Sehnen beherrscht, daß die Liebe in ihr Herz einziehe. Die kindliche Unbefangenheit ist dahin, das seelische Gleichgewicht gestört. Lachen und Weinen, lustiges Singen und stummes Hinbrüten wechseln rasch, die Gesellschaft der Jünglinge wird schamhaft gemieden und doch wieder sehn­süchtig ausgesucht, der Geschmack an den früheren Spielen ändert sich, das Gefallen an neuen Beschäftigungen fröhlicher und ernster Art tritt hervor. Das junge Wesen mit dem schlanken Wüchse, den feinen Zügen, den glänzenden Augen, den wellenförmigen Linien, der vollen klingenden Stimme, dem gefälligen Gange will nicht mehr als Kind angesehen werden, es hat das weibliche Selbstbewußtsein und unbestimmte weib­liche Wünsche nach Liebe und Zukunft.

Diese Lebenszeit, die bedeutungsvolle Phase im Ent- wicklungskreise des Weibes, zeichnet sich aber durch eine große Umwälzung in den gesamten Lebensvorgängen, durch eine starke Neigung des Jndividiums zu einer Reihe von Störungen in den Funktionen der verschiedensten Organe, zu mannig­faltigen krankhaften Veränderungen, durch eine Gesamtänderung des Stoffwechsels mit geringerer allgemeiner Widerstandsfähig­keit aus. Es tritt dies am deutlichsten in der durch statistische Ziffern erwiesenen Tatsache zutage, daß in dieser Lebens­epoche die Sterblichkeit der Mädchen im Vergleich Zu jener der gleichaltrigen männlichen Individuen wesentlich größer ist.

Unter den krankhaften Vorgängen in den weiblichen Ent­wicklungsjahren ist am häufigsten und auffallendsten die

Bleichsucht (Chlorose) der jungen Mädchen, Zustände von allgemeiner Blässe mit Abnahme der Kräfte, die durch eine Veränderung der Blutbeschaffenheit hervorgerufen werden. Diese von der Norm abweichende Vlutmischung

hat nicht so sehr in einer Verminderung der Zahl der roten Blutkörperchen ihren Grund wie bei anderen anämischen Zu­ständen, sondern ist durch die Verringerung des Blutfarb­stoffes, des eisenhaltigen Hämoglobins veranlaßt. Als Ur­sache dieser Blutverarmung an Hämoglobin wird eine Schwäche der blutbildenden Organe, eine Herabsetzung ihrer so lebens­wichtigen Tätigkeit angesehen. Und diese Verminderung der Blutneubildung ist wiederum durch mannigfaltige Momente der inneren Entwicklungsstörung wie der äußeren Lebens­führung bedingt, in letzter Beziehung durch nicht zweck­entsprechende, ungenügende Nahrung, durch langes Stuben­hocken in ungelüfteten Räumen, durch uicht ausreichende Dauer des Nachtschlafes, durch anhaltende Gemütsbewegung und seelische Erregung, durch unhygienische Kleidung, die dem steten Wachstum des Körpers nicht Rechnung trägt. Ganz besonders wird in jüngster Zeit auch die Schädlichkeit des Tragens des Mieders, der Schnürbrust mit dem Zustandekommen der Bleichsucht in Verbindung gebracht.

Das Aussehen der Bleichsüchtigen ist dieser Bezeich­nung entsprechend, die Farbe des Gesichtes blaß, die ganze Haut auffallend weißgelblich, zuweilen ins Grünliche spielend, die Lippen und sichtbaren Schleimhäute haben ihre natürliche frische Röte verloren, die Büste erhält bei sonst schönen: Körper zuweilen geradezu das Aussehen einer Marmorffatue. Meistens ist keine wesentliche Abmagerung vorhanden, im Gegenteil, die Mädchen sind oft auffallend stark, aber das Fettgewebe selbst ist schlaff, weich, locker, wobei es leicht zu Schwellungen (Ödemen) an verschiedenen Körperstellen kommt. Die Muskulatur ist gewöhnlich nicht kräftig, die mechanische Leistung der Muskeln gering. Aus diesen und anderen Gründen wird bei einiger körperlicher Bewegung schon über Ermüdung und Mattigkeit geklagt, ferner über Unlust und Unfähigkeit zu jeder stärkeren Arbeit. Dabei ist der Appetit vermindert, oder die Eßlust richtet sich auf ungeeignete

Nahrungsmittel, besonders auf saure, pikante Speisen. Die

Verdauung liegt danieder, die Zunge ist belegt, im Munde

wird ein pappiger Geschmack empfunden, nach den: Esten, zuweilen auch schon nüchtern, tritt ein Gefühl von Magen­drücken, Schmerz in der Magengegend auf, zuweilen saures Ausstößen, Brechneigung, Aufgetriebensein des Leibes, Trägheit des Darmes, kurz: eine Fülle unangenehmer, belästigender Symptome, die erweisen, daß die schlechte Beschaffenheit