Heft 
(1906) 19
Seite
398
Einzelbild herunterladen

398

,Na dös is nix für Jhna, Herr Göd wissen S', koans von die lumpigen und zauserten" das Bandelweib verstand sich auf die Kundschaft.

Und Herr Schneeberger, der sich nicht lumpen ließ als Pate, wählte ein breites, festes Band.

Georg und Frau Marie Bang waren unterdessen einige

Schritte weiter fortgeschoben worden im Gedrüng. Nun,

während Herr Schneeberger sich von der Bandverkäuferin auf einen Gulden, den er ihr gegeben hatte, herausgeben ließ, und die dicke, gemütlich lachende Frau gerade die letzten zwanzig Kreuzer in keiner Tasche mehr auftreiben konnte, standen die

beiden vor dem Hauptportal des Domes. Das innere Tor

war geöffnet, und nur das äußere Gittertor wehrte den Ein­gang. Aber man sah weit hinein in das feierliche Gewölbe der Kirche, aus der Tausende von rötlich schimmernden Kerzen­lichtern strahlten und mit dem Hellen Tageslicht draußen kämpften. Und man hörte auch den tiefen Klang der Orgel und, in abgerissenen Sätzen wenn all das laute Helle Treiben der Straße aus Augenblicke ebbte den Klang einer Frauenstimme, die in hochaufjubelnden Tönen sang:

Wohin soll ich mich wenden,

Wenn Gram und Schmerz mich drücken

Wenn freudig pocht mein Herz-?

Zu dir, zu dir, o Vater!

Komm ich in Freud und Leiden.

Du spendest ja die Freuden,

Du heilest jeden Schmerz-!"

Georg starrte durch das Gittertor in das lichterflimmernde Halbdunkel der Kirche.

Da drang die Botschaft wieder heraus, die der Katechet in der Schule ihnen stets verkündet hatte, die Botschaft, die der Mutter ihren Halt und ihre Stärke gab in all den: Leid des Lebens. Und Georg sah und hörte, aber er fühlte nicht. All jene Zweifel, die in ihm erwachsen waren, wurden hier im Angesicht der Kirche wieder qualvoll wach. Er dachte an den Katecheten; wie hatte der gesagt?Firmung - das Wort kommt aus dem Lateinischen. Oonürmo heißt: ich festige dich, ich gebe dir neue Kraft. Und eine Festigung im Glauben soll also die Firmung sein"

Georg, fehlt dir was?" Die Mutter sah ihm besorgt in die Augen.

Aber da klang gerade die Stimme des Herrn Schnee­berger:Ah, da sind Sie! Ich Hab' schon g'meint, wir hätten uns verloren! Jetzt, die is' gut, das Bandelweib! Zwanzig Kreuzer zu wenig hat's mir Herausgaben, und wissen S', was' sagt? Mber gengan S', Herr Göd! wegen zwanz'g Kreuzer auf dös kommt's Jhna heut a nimmer anll"

Frau Bang nickte mit einem zerstreuten Lächeln.

Ja, an so an' Tag, da will halt alles verdienen! Aber jetzt vorwärts"

Und eilig schritt er den beiden anderen voran dem Seiten­eingange der Stephanskirche zu . . .

In langen Doppelreihen standen sie in dem gewaltigen Mittelschiff des Domes. Vorn die Firmlinge, auf der einen Seite die Buben, auf der anderen die Mädchen und hinter jedem, die rechte Hand auf der Schulter des Schützlings, die Paten und Patinnen. Dann kam ein Geistlicher die Reihe herunter. Er fragte jeden von den Paten nach dem Namen, den der Firmling bekommen sollte, notierte die Angaben, ordnete hier und da noch ein paar in der Reihe und schob dann dem einen oder anderen das Firmband an der Stirn besser zurecht.

Als Herr Schneeberger, auf die Frage nach dem Firm­namen laut und deutlichFranz" sagte, kam es Georg wieder zum Bewußtsein, wie anders diese Stunde wohl für ihn gewesen wäre, wenn Heinrich Gerolds Hand auf seinen Schultern läge. Der hätte ihm auf seine Fragen Rede stehen können, der hätte seine Zweifel alle mit seinen Worten zur Ruhe gebracht.Oonürmo heißt: ich festige dich" der hätte ihn gefestigt und ihm neue Kraft gegeben - vielleicht

ganz anders, als der Katechet das meinte, aber doch sicherlich auf die rechte Art ...

Nun ging eine Bewegung durch die Reihen, und oben auf dem Chor setzte die mächtige Orgel in schwellenden Akkorden wieder ein, daß ihre schwerblütigen Melodien das Riesenschiff des Domes durchfluteten.

Georg sah die Reihe der Firmlinge entlang. Unten, am Ende der Erwartenden, war im prunkenden Ornat,

den Bischofsstab in der Linken, die Mitra auf den: greisen Haupte, der Erzbischof erschienen. Zu seinen Seiten schritten Priester, deren kirchliche Gewänder gleichfalls von golddurch- wirkten Stoffen waren, und eine ganze Schar von weiteren Priestern folgte ihnen. So schritt er, wahrend von dem Chor nun aufs neue der Gesang herniederströmte, an der Reihe der Firmlinge hin.

Jeden: salbte er die Stirn mit dem heiligen Chrisam, das ihm der eine der Priester in goldener Schale vorantrug, über jeden sprach er die Worte des Segens, während seine schmale bleiche Hand, an der der schwere Bischofsring gleich einer Last zu sitzen schien, in seltsam ergreifender Geste das Kreuzes­zeichen in der Luft beschrieb. Ein leises Berühren dann der linken Backe des FirmlingsUax teeum" und er schritt weiter und wandte sich dem nächsten zu.

Näher und näher kam er zu Georg, den eine tiefe Er­regung ergriffen hatte. Ein Fühlen, so, als müßte er etwas empfangen, als müßten ihm die kommenden Minuten etwas offenbaren, hatte von ihm Besitz genommen. Und dabei fühlte er die Hand des Herrn Schneeberger auf seiner Schulter wie etwas Fremdes, das ihn niederhielt.

Jetzt waren nur noch drei Firmlinge vor ihn: an der Reihe. Ein Bub in seinen Jahren, der eine glänzend neue Uhrkette über die Weste laufend trug und seinen schwarzen Hut zwischen den Fingern drehte, ein junger Bauer, der von: Land herein gekommen war, um hier in Wien vom Erzbischof den Segen zu erhalten, und neben Georg ein Soldat, ein Böhme, der nun mit seinen einundzwanzig Jahren das heilige Sakrament, das zu empfangen er seinerzeit versäumt hatte, nachträglich genießen wollte. Stumpfsinnig, wie wenn er zum Apell ge­rufen wäre, stand er da.

Und auch von diesen dreien ward einer nach dem anderen geffrmt. Gleichmäßig wie ein Uhrwerk geht, bewegte sich die Gruppe um den Bischof weiter.

Schon stand der Priester mit der goldenen Schale vor Georg und nun der greise Erzbischof selbst.

Und Georg fühlte den Finger mit dem heiligen Chrisam an der Stirn, sah den Krummstab vor sich funkeln, hörte die Segensworte des Bischofs, aus denen das Wort ^raneison^ ihm entgegenschlug, und wußte, daß er jetzt mit dieser hageren Hand das Kreuz beschrieb und leise seine Wange berührte.

?ax teeum", das klang ihm noch in den Ohren.

Aber da war der Erzbischof schon wieder bei dem Nächsten und dem Übernächsten. Ihm aber wischte einer von den Priestern das Chrisam von der Stirn, ein anderer sammelte das Band zu jenem Bund von Bändern, den er schon in Händen trug die Firmung war vorüber.

Georg hörte die Stimme des Herrn Schneeberger, der sich ein wenig räusperte, er hörte ein Scharren und Wispern aus der Reihe derer, die nun gleich ihm geffrmt waren, und hatte ein Gefühl des Wehs und der Leere. Vom Chore sanken die vollen Töne der Orgel in den Raum hernieder. Prunkvolle Meßgewänder bewegten sich vor seinen Augen, und ganz von fern drang der Helle Ton des Kingelbeutels zu ihn:, mit dem der Mesner freiwillige Gaben bei den Paten sammelte.

Wie ein Traum war alles das für ihn.

Und plötzlich mußte er an jenen Sonntag denken, da er mit seiner Mutter vormittags in der Kirche war an jenen

Sonntag, an dem er dann zum ersten Male bei Gerolds ein­geladen gewesen. Wie wenn das Höchste zu ihm käme, so

hatte er damals empfunden . . . und nun, da doch ein

Heiliges der Kirche zu ihm gekommen war, nun war's an