Heft 
(1906) 19
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seinem Fühlen vorbeigegangen und hatte nichts gebracht für- all sein Hoffen und sein Fragen.

Nach und nach lösten sich die Reihen der Gesinnten auf. Hier schlug der eine noch eil: Kreuz über Stirn, Mund und Brust und wendete sich dann zögernd dem Paten zu; dort beugten Pate und Firmling gemeinsam ihr Knie, erhoben sich dann wieder und schritten nach dem Ausgang. Und neue Firmlinge mit ihren Göden schoben sich an die Stellen der ausgeschiedenen und standen nun, das Firmband um die Stirn, wartend wie früher jene, die nun die Weihe schon empfangen hatten.

Und auch Georg machte das Zeichen des Kreuzes über sich, aber ein Gefühl wie schamvolle Verlegenheit hielt ihn dabei umfangen. Er machte es, weil es die anderen machten, und eine Sehnsucht, weg zu sein aus diesem Menschendrängen, kam über ihn.

Als er sich umwendete, da nickte ihm Herr Franz Schnee­berger mit einen: gutmütig stolzen Lächeln zu.

Na sixt' es, Georg jetzt bist g'firmt auch!"

Zwischen dem Paten und Frau Marie Bang, die während der heiligen Handlung still hinter Herrn Schneeberger ge­standen hatte, schritt er dann nach dem Ausgang der Kirche.

Er hörte, wie Herr Schneeberger leise zu Frau Bang hinüber sprach:

Angriffen hat's ihn, den Buben mein Gott is' ja auch kei' Wunder. Wenn ma' denkt, die Pracht von die Meßg'wänder und dann der Erzbischof und die Orgel . . . und wenn ma' jung is' dazu ..."

Wie eine Erlösung war es für Georg, als er durch das breite Portal das volle Sonnenlicht des Pfingsttages wieder Hereinströmen sah, als er von draußen das Ausrufen der Wagennummern, das Antworten der Fiakerkutscher, das Rattern der Räder und all das wogende Stimmengewirr des Lebens wieder hörte.

An ihnen vorbei drängten in freudiger Hast die jungen und alten Menschen. Mädchen in weißen Firmkleidchen, Blumen im offenen Haar, Buben, denen die Lust mm kommenden Vergnügen aus den Augen sprühte, und Paten und Patinnen, auf denen es lag wie der Abglanz der eigenen fernen Jugendfreude.

Die drei Menschen schritten durch die drängende Menge vor der Kirche und in den Straßen, in denen alles wie im Rausch des Festes wogte. Überall Sonne und Helle Gesichter, überall Lachen und munteres Rufen, Blumen und Helle Kleider.

Sie schritten die Rotenturmstraße hinunter nach dem FraiH^ Josephskai. Das kleine Dampfschiff sollte sie naH dD: Prater bringen.

Das laschen

Eine päüMvgischt IllauMrrj

arum wohl keiner der Kindermaler uns jemals das Motiv geschenkt hat:Kind mit Geld spielend?" ' Törichte Frage! Natürlich, weil Geld überhaupt kein Kinder­spielzeug, weil Geld schmutzig ist, weil Kind und Geld eine unnatürliche Verbindung darstellen! Vielleicht auch am Ende, weil die frohe Heiterkeit und unschuldige Lieblichkeit eines lockenumrahmten Kinderköpfchens durch den Teufelszauber, der von den runden Metallstückchen ausgeht, unheilbar gestört werden würde? Ich meine wirklich, daß dieses ästhetische Beden­ken, wenn auch unbewußt, durchschlagend gewesen ist. Beruht nicht der unsäglich rührende Reiz, der von der Vorstellung einer krabbelnden, spielenden, lachenden Kinderschar in uns geweckt wird, wesentlich mit auf dem Gedanken, wie sorglos und unbekümmert um die Geschäfte der Großen hier blühendes Leben, gleich den Lilien auf dem Felde, aufwüchst? Und wenn ich da auf den: Spielzeugschränkchen über dem lebendigen Durcheinander von

Freust' dich auf's Schiff?" fragte der Herr Schneeberger.

Und Georg sagte:So lang' schon bin ich nicht mehr auf der Donau gewesen." Er dachte wieder an vergangene Zeiten, an Heinrich Gerold und an Sephi, mit denen er den­selben Weg zun: Kai hinunter so oft gegangen war, wenn sie zusammen in die Donauauen, nach Nußdorf oder Kloster­neuburg fuhren.

Eine Beklommenheit blieb über ihm den ganzen Tag. Es lag auf ihm wie das Weh der Enttäuschung. Ein unbewußtes Sehnen in seinem Herzen hatte von diesem Tage so viel erwartet Dinge, über die er sich nicht Klarheit geben konnte und danach er sich doch zerquälte. Nun ging der Tag und was er brachte, gleich einem kühlen Wort an ihm vor­über. Nur daß die Mutter doch in seiner Nähe war, tat Georg wohl. Wenn ihre Hand ihn streifte, war es ihn: wie ein Verstehen, und wenn ihr Blick ihn traf, empfand er das als einen Trost; er fühlte, daß er eine Heimat hatte und jemand, der ihn über alles liebte.

Ein Wandelbild mit tausend bunten Szenen, floß dieser Tag an Georg dahin. Die Donaufahrt, das Treiben auf dem Schiff, der Gang im Prater und das Mittagsessen im dicht besetzten Garten desEisvogel", dann wieder das Drängen vor den Buden, der Besuch beimTaucher", wo Herr Franz Schneeberger ein Privatissimum über die Kunst des Tauchens hielt, das Aquarium mit all den seltsam geformten Meerestieren, und endlich das stille Abendessen an dem entlegenen Plätzchen beimBraunen Hirschen". Wie ein Dunst lag es da über allem, eine schwere sinnende Müdigkeit nach all dem Drängen und dem Lärm des Tages. Kaum daß sie sprechen wollten. Nur Herr Schneeberger pries nach jedem Zuge, wenn er das Glas hinsetzte und mit einem schlürfenden Ton das Naß des Bieres aus den Schnurr­barthaaren sog, die Frische und die Güte desSchwechaters".

Und Frau Marie Bang sah lächelnd und verträumt nach

ihrem Buben.

Wie eine kleine Familie saßen die drei Menschen um den runden Tisch, auf dem noch auf weißen Papierblüttern die Hautreste der Salami und die Rindenstücke des Emmentalers lagen. Aus den Kronen der Bäume fiel hier und da ein Blütenblättchen nieder, oder ein kleiner Käfer machte auf dem

Tisch kurze Rast in seinem Flug. Und aus dev: dicht

besetzten Mittelteil des Gartens klangen in verwehten Wellen die WalzeruMlodien der Damenkapelle und die Rufe der Kellner und Verkäufer:Brot! Schani Brot!" . . .Vier g'fällig? Bier!" . . .Salamucei Salamini! Da bin i'I"

Das war der Firmtag Georg Bangs.

(Fortsetzung folgt.)

ld des Rindes.

von vr. Rudolph Urnzjg.

Puppen, Zinnsoldaten, Töpfchen und Bällen die steife ehrpusselige Gestalt einer Sparbüchse entdecke, womöglich mit einem Schloß im Munde, da gibt's mir jedesmal einen Stich ins Herz, und es scheint mir, als ob der grinsende Spalt höhnisch lächle: Wartet nur, ich werde euch bald genug aus eurem Kinder­paradiese vertreiben! Faßt mich nur mit euren Kinderfäustchen und laßt es ordentlich in meinem Bauche rasseln> wie bald grübt sich dann ein habgieriger Zug um die Nasenflügel, wie kalt blitzt es aus den Augen und wie unschön verzieht sich der Mund zu einen::Etsch! ich Hab' doch mehr als du!"

Die alte dicke Tante hat recht. In: Kinderschrünkchen hat sie nichts zu suchen, auch abgesehen von ihrer täglichen Todes­gefahr, falls sie etwa irdener Konstitution sein sollte. Sie gehört, wo sie überhaupt noch ihr etwas altväterisches Dasein fristet und nicht, gemäß unseren: papierenen Zeitalter, vom Sparkassenbuch abgelöst wurde, in den Schrank der Mama.