Heft 
(1906) 19
Seite
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Wie es von dem in meiner Jugend gebräuchlichen halbeiför­migen Spartöpfchen galt:

Soll der Goldschatz auserstehen,

Muß die Form in Stücke gehen

wie es also seinen Daseinszweck gerade durch Aufgabe der Existenz erfüllte, so sollte der sittliche Wert der Sparbüchse darin bestehen, daß ihr Vorhandensein vom Kinde immer wieder vergessen wird. EinMädchen aus der Fremde" tauche sie auf, von einer Würde, einer Höhe, die eine allzu intime Vertraulichkeit entfernt, und schnell sei ihre Spur verloren, so­bald der schenkende Onkel Abschied nahm.

Da sind wir schon mitten in der Fülle von Fragen, die sich der Erzieher bei dem Kapitel:Der Umgang der Kinder mit dem Gelde" stellen muß. Soll das Kind überhaupt sparen? Ist nicht solche weitausschauende Sorge um den kommenden Tag unkindlich? Wer möchte eine Lerche mit Hamstergewohnheiten!? Aber, wenn es schon unnatürlich ist, muß nicht eben deshalb die künstliche Züchtung des Spar­triebes durch den Erzieher einsetzen? Muß das Kind nicht bei Zeiten den verhältnismäßigen Wert und Unwert des Geldes kennenlernen? Soll es nicht zum vernünftigen Aus­gleich von Einnahmen und Ausgaben angehalten werden? Kann ein Kind, dem jeder Groschen mit vorgeschriebener Reiseroute und Bestimmungszweck eingehändigt wird, jemals zu Selbständigkeit und wirtschaftlicher Disposition über seine Mittel gelangen? Ist nicht dies tägliche Vetteln um die Pfennige für kleine Bedürfnisse erniedrigend für das Kind, ermüdend und lästig für die Eltern? Andererseits welcher Mutter sind die Gefahren des Taschengeldes unbekannt geblieben, das nun einmal unrettbar dem Verhängnis der Zeitwörter mit ver" verfallen zu sein scheint: verlieren und vernaschen, verschwenden und verborgen, verschenken und verposamentieren, von verrauchen, vertrinken, verspielen ganz zu schweigen! Und kontrolliert man wieder welche Fülle von Unannehmlich­keiten, Tränen, Ärger für Kind und Eltern! Lauert nicht hart neben dem Ausgabebüchlein die Ungenauigkeit, ja die Unwahr­heit und Lüge? Wer aber selbst dem Charybdisstrudel der Verleitung zur Unordnung, Liederlichkeit, Vergeudung und Unehrlichkeit heil entronnen ist, dem strecken sich die greulichen Schlangenhäupter der Skylla entgegen: Habgier und Geiz, Dünkel und Ungefälligkeit, Krämergeist und all der Schmutz, der nun einmal wörtlich und figürlich an dem unaufhörlich rollenden Gelde haftet.

Ja, es ist ein schönes Vorrecht der Kinder und Fürsten, kein Geld bei sich haben zu müssen. Unbesteuert durchs Leben zu gehen macht doch vor gekrönten Häuptern und Trage­kindern sogar der unersättliche Fiskus seine Verbeugung, und wie der Steuerbote am königlichen Schloß vorbeigeht, so klappt auch der grimmigste Schaffner vor dem lebendigen Spitzen­bündel auf dem Schoße der Mutter seine nickelhungrige Tasche zu.

Schade, daß auch dies Paradies ein Ende hat! Oder vielmehr nicht schade, wenn anders der Engel mit dem Flammen­schwert der Menschheit den Weg aus unwissender Unschuld und harmlosen: Genußleben zu erkennender Verantwortlichkeit und schaffender Arbeit gewiesen hat.

Die Vögel unter dem Himmel sie säen nicht und ernten nicht, und unser himmlischer Vater nähret sie doch sind wir denn nicht viel mehr denn sie? Von der kindlichen Un­bekümmertheit und den: sorglosen blinden Vertrauen auf nimmer versiegende Güte muß das Kind sich durchfinden zum Ernst der Erwerbsarbeit mit ihrem:Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen", und von dort wieder zurückgelangen zu dem Gipfel des Menschenglücks, wo die schaffende Arbeit selbst, ohne Rücksicht auf ihren Ertrag, die Quelle höchsten Genusses geworden ist, wo sie sich wieder wandelt Zum Spiel, weil menschliche Geisteskraft Herr wurde über die Natur.

Und so ist der Erziehung auch auf diesem Gebiet ihr Gang vorgeschrieben. Wir dürfen unsere Kinder nicht auf­wachsen lassen als Bürger einer Welt, in derGeld keine

Rolle spielt" (gerade dort, wo es scheinbar keine Rolle spielt, vielmehr hinter der Szene die Regie der ganzen Vorstellung führt, an: allerwenigsten!), sondern es ist höchste Elternpflicht, dem Kinde in den: Umgang mit dem gefährlichsten Feinde und Freunde des Kulturmenschen dank ihrer gereiften Erfahrung beizustehen und ihm zun: richtigen Verhältnis und Abstand zu und von Gott Mammon zu helfen.

Beim Spiel einem rechten Kinde ist nichts so ernst wie sein Spiel fängt die Erziehung an, jene Erziehung, bei der weder der Erziehende die Anstrengung des Ziehens, noch der Zögling die Unlust des Gezogenwerdens merkt. Peinlichste Ehr­lichkeit sei dabei Grundbedingung. Sie findet bei fast allen Kin­dern die größte Gegenliebe. Das Kind ist ein Fanatiker der Ge­rechtigkeit; es verzeiht Lieblosigkeit eher als Ungerechtigkeit.Nein, das gilt nicht! Mit dir ist kein Spiel!" schallt es dem unüber­legten Spaßmacher entgegen, der durch augenfälligesMogeln" den Reiz des Gesellschaftsspiels erhöhen zu können wähnt.Zeige mir, wie du mit deinen Spielmarken umgehst und ich will dir sagen, ob ich dich später zum Bankier haben möchte." Eine sorgsame Mutter erkennt an der Art, wie Gewinn und Verlust verschieden von den einzelnen Kindern getragen werden, die Ge­fahren und Klippen, die es zu umsteuern gelten wird, wenn einst nicht mehram Phantom" gearbeitet wird wie heute, wo es sich nur um Blech- oder Pappstückchen handelt, das Symbol des Symbols Geld Pfeffernüsse verwirren vermöge ihres inneren Wertes das Bild!

Wirkliches Geld gehört nie ins Spiel. Weder als Tausch - mittel, noch gar als Einsatz.Geld ist geronnene Arbeit!" Das ist der Satz, mit dem das Stückchen Ehrfurcht vor dem Geld, das trotz allen Götzendienstes damit und seinen Aus­schreitungen im Kinderherzen geweckt werden muß, zu be­gründen ist.Die Hand davon! Es klebt Schweiß daran!" mag als ethisch-ästhetische Mahnung dienen. Auch am äußer­lich blitzblanken Goldstück, das du geschenkt erhältst. Nicht die Genüsse, die damit zu kaufen sind, sondern die Mühen und Entbehrungen, die mit seinen: Erwerb verbunden waren, sollen zuerst in den kindlichen Gesichtskreis treten. Davon, wie zuerst der Spiegel eingestellt wurde, in dem das Kind das Geld sah, hängt mehr ab als man glaubt. Hier liegt eine der Ursachen, warum der Sprößling armer Eltern in der Regel besser mit Geld wirtschaften lernt als der im Überfluß Aus­gewachsene. Das Mädchen, das zuerst fragt: Was kann ich mir damit kaufen? wird schwerlich eine gute Hauswirtin, wohl aber, wer sich erkundigt: Ist das viel? Muß man dazu lange arbeiten?

Den konventionellen Münzwert, die Kaufkraft des Geldes, soll und wird das Kind zumeist schon vor dem schulpflichtigen Alter an der Hand der Mutter bei ihren Einkaufsgängen lernen. Es lernt aber noch mehr dabei, unwillkürlich und der Mutter selbst unbewußt. Nämlich das Wie des Geldausgebens. Die ängstliche Art, die um jeden Pfennig feilscht, ebenso wie das bequeme aus dem Vollen Wirtschaften, das sich schwer Trennen wie die lustige Unbekümmertheit. Dergleichen färbt ab. Also Vorsicht! Haben wir Eltern nicht den richtigen Mittelweg gefunden zwischen Überschätzung und Unterschätzung, wie dürfen wir vom Kinde Besseres erwarten!?

Hierhin gehört nun das Sparen, das neuerdings von seinem Ehrensitz als bürgerliche Haupttugend von gewisser Seite so unsanft herabgezerrt worden ist. Aber mag die Spar-Agnes" im wirtschaftlichen Leben beurteilt werden, wie man wolle, in der pädagogischen Welt wird sie nicht so leicht ihren Platz einbüßen. Schon um der vorzüglichen Schule der Selbstbeherrschung willen nicht. Sich heute einen Genuß ver­sagen, um ihn übermorgen zu haben, ist zwar noch nicht die Blüte edelster Sittlichkeit, aber es hat Schulungswert. Ge­wöhnung gräbt langsam die Gleise, in denen sich später das sittliche Handeln mit dem geringsten Reibungswiderstand fort­bewegt. Und wenn erst zwischen augenblickliche Begierde und ihre Erfüllung der Keil der Zeit geschoben worden ist, dann eröffnet sich auch die Möglichkeit, den durch das Sparen in