Anschlag, und wenn der große Tag kommt, kommen Sie hoffentlich auch. Eben habe ich Schlenthers Kritik über Hartlebens „Sittliche Forderung“ (was an und für sich schon heiter stimmt) mit besondrem Vergnügen gelesen. Glücklichster Humor von Anfang bis Ende. Wäre ich Rudolstädter Stadtverordnetenvorsteher, so beantragte ich S.s (vielleicht auch Hartlebens) Ernennung zum Ehrenbürger. Meine Damen grüßen bestens. Wie immer Ihr
Th. Fontane
Kommentar
Die drei bislang unveröffentlichten Briefe an Otto Brahm sind im Besitz der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin und als Dauerleihgabe an das Theodor-Fontane-Archiv, Potsdam, gegeben worden.
Uber Otto Brahm und seine Beziehungen zu Theodor Fontane ist in Heft 32 (1981) der „Fontane-Blätter“ (S. 664 f.) berichtet worden. Darauf sei hier verwiesen.
Zu l. Fontane dankt für Brahms Glückwünsche zu Emilie Fontanes siebzigstem Geburtstag, den sie am 14. November gefeiert hatte.
„Daniela Weert“, ein Schauspiel von Emst Ludwig Frhr. von Wolzogen, wurde in dem von Otto Brahm geleiteten Deutschen Theater in Berlin gegeben.
Zu 2. „Morituri“ von Hermann Sudermann wurde erstmals am 3. Oktober 1896 im Deutschen Theater aufgeführt. Paul Schlenther besprach die Aufführung am 5. Oktober 1896 in Nr. 468 der „VossisChen Zeitung“. Daß das sehr ausführlich geschah, bezeugt den Ruhm Sudermanns, der damals noch erglänzte, heute aber fast völlig verblaßt ist. „Morituri“ (d. h. Die Todgeweihten) besteht aus den drei Einaktern „Teja“, „Fritzehen“ und „Das Ewig-Männliche“.
Die Handlung von „Teja“ geht unmittelbar dem in Verzweiflung und ohne Aussicht auf Sieg geführten Kampf voraus, in dem die Ostgoten unter ihrem König Teja 553 am Sarno (südlich des Vesuvs) der Übermacht des oströmischen Feldherrn Narses und seiner Truppen erlagen. Teja und der größte Teil seines Volkes fanden dabei den Tod.
Fontane war offenbar von dieser Szene aus der Geschichte der Ostgoten nicht sehr angetan, wahrscheinlich well etliches von dem, was Sudermanns Goten zu sagen haben, allzu modern klingt und darum ins sechste Jahrhundert nicht recht paßt. Fritzehen ist ein adliger junger Leutnant, der sich auf ein Liebesabenteuer mit der nicht mehr ganz jungen Frau eines Offiziers eingelassen hat und von dem Ehemann ertappt worden ist. Fritzchen wurde verprügelt und hat den Offizier gefordert. Da dieser aber als hervorragender Schütze bekannt ist, besteht kaum ein Zweifel daran, daß Fritzchen im Duell getötet werden wird. In dem einaktigen Drama nimmt Fritzchen von seinem Vater, einem Gutsbesitzer, und seiner Kusine Abschied. Am nächsten Tage wird das Duell stattfinden. Der kranken Mutter wird der Sachverhalt verheimlicht. Sudermann übt indes Jeeine Kritik an dem Ehrenkodex, der das Duell vorschreibt.
„Das Ewig-Männliche“ spielt an einem Königshof, der operettenhaft, läppisch und lässig dargestellt ist. Die Königin sucht die Liebe eines Portraitmalers, stößt Ihn jedoch, als sie so ziemlich am Ziel ihrer Wünsche ist, zurück und überantwortet ihn der Strafe. Eine Hofintrige will, daß der Marschall den Maler im Duell töten soll, um dann selber, eben dieses Vorfalls wegen, in Ungnade zu fallen. In einem längeren Dialog kommen sich jedoch die beiden menschlich näher und halten es endlich für geraten, dem Tod und der Ungnade zu entgehen, und machen sich auf und davon. Das unernste Spiel entläßt den Todgeweihten ins Leben.
Daß unter diesen drei kurzen Stücken, von denen keines beanspruchen kann, die Zeiten zu überdauern, „Fritzchen“ immerhin noch das beste ist, kann man nicht bestreiten. Und sicher ist das dritte Stück das schwächste. Adalbert von Hanstein, der frühe Historiograph des deutschen Naturalismus, vermerkt tadelnd, Sudermann hätte darauf verzichten sollen, den beiden ersten Stücken im dritten „mit den Schel- lengloCken der Narrenkappe nachläuten zu wollen“ 1 .
Fontane hatte sich übrigens schon zwei Wochen davor — in etwa demselben Sinne — zu „Morituri“ geäußert, und zwar in seinem Brief an Paul Schlenther vom 13. Oktober 1896. Paul Schlenther hatte Gerhart Hauptmann, Hermann Sudermann und andere zum 18. Oktober zu einem Diner geladen, an dem auch Fontane teilnehmen sollte. Es war zu erwarten, daß bei dieser Gelegenheit von „Morituri“ die Rede sein werde.