Heft 
(1985) 40
Seite
134
Einzelbild herunterladen

letztre bunt angepinselt ist. Alles ganz gleichmäßig; die Häuser nur durch ihre Nummer unterschieden. Bei uns kann ein Mensch auf seine Wohnung stolz sein, ohngefähr so, wie man vor 200 Jahren auf Tracht und Kleidung stolz sein konnte. Alles war charakteristisch, der Ausdruck des Individu­ums. Welcher vernünftige Mensch ist heutzutage noch auf die schwarzen Beinkleider stolz, die er trägt? A. und B. und C. tragen ganz dieselben. So ist es hier mit den Häusern; wie man 10- und 8- und 6-Taler-Hosen hat, so hat man 80- und 60- und 40-£-Häuser, nicht die einzelnen unter­scheiden sich, sondern nur die Gruppen. Wir haben ein mittelgutes (60 £ mit Abgaben), wie es sich für uns geziemt; seiner innern Einrichtung nach nähert es sich schon den guten. Das Souterrain besteht aus Küche und Speisezimmer, gewöhnlich breakfast-parlor geheißen. In demselben neh­men wir unsren Tee und unser Mittagbrot. Es ist bis jetzt noch sehr einfach in seiner Einrichtung, wird sich aber verbessern, sobald sich unsre Kasse einigermaßen erholt hat. Die Küche ist groß und hübsch; daneben ein kleines Waschhaus; kaltes und warmes Wasser immer zur Hand. Zwei Speisekammern und ein Kohlenkeller beschließen das unterirdische Reich. Das Souterrain hat übrigens besondre Aus- und Eingänge, so daß Bäcker, Fleischer und alle die andern Shopkeeper, die einem hier alles ins Haus bringen, nie die Staatstreppe, die nur für gentlemen ist, betreten dürfen. Das Hochparterre ist der eigentliche Stolz des Hauses. Teppiche überall, eine Flurlampe, die Flurwände wie Stuck, im Hintergründe eine Garten­tür von teils mattem, teils blau und roten Glase. Dies alles präsentiert sich zuerst, nebst einer teppichbelegten Treppe, die ins Erste-Stock führt. Zur Linken des Flurs sind die beiden drawing-rooms von großer Eleganz. Die Wände, die breiten wie die schmalen, nach Art eines Bilder- oder Spiegel­rahmens hergerichtet. Jedes Feld gleicht einem Trumeau, unten ein Holz­paneel als Träger des Ganzen, darauf erhebt sich in ganzer Zimmerhöhe ein mehr als handbreiter ponceau-roter Rahmen, dieser Rahmen wieder umschließt die weiß und grüne eigentliche Tapete, die da, wo sie sich dem roten Rahmen nähert, wiederum nach allen Seiten hin mit ausgeschnit­tenen Blumen reich besetzt ist. Die eigentliche Tapete hat also jedesmal einen doppelten Rahmen, erst den Blumenrahmen, dann mehr nach außen hin den ponceau-farbenen. Ich beschreibe dies so ausführlich, weil ich es ganz reizend und nachahmenswert finde. Die englischen drawing-rooms sind 2 Zimmer, die aber in ihrer Zusammengehörigkeit zugleich den Charakter eines Saales haben. Eine torwegartige Tür verbindet beide, und wenn die letztre offensteht, gleicht das Ganze einem Zimmer; das Vorderfenster führt auf die Straße, das Hinterfenster auf den Rasenplatz, der sich Garten nennt. Den back-drawing-room hab ich dadurch ent­weiht, daß ich ihn seiner repräsentativen Hoheit entkleidet, einen großen, langen Tisch hineingestellt und ihn zu meinem Arbeitszimmer gemacht habe. Es arbeitet sich trefflich darin; ich hätte nie gedacht, daß ich an­gesichts solcher Tapete und mit meinen Stiefeln auf einem Teppich, der 20 £ kostet, so unbehindert Korrespondenzen schreiben könnte. Ich würde selbst Verse machen können, wenn mir anderweitig meine Mittel solche Extravaganzen noch gestatteten. Ich eile zum Schluß, es wird sonst des Guten zu viel. Die vorerwähnte Treppe führt uns in den ersten Stock, der

134