Heft 
(1985) 40
Seite
135
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aus 4 Schlafzimmern besteht, 2 großen und 2 kleinen. Das für meine Frau und mich bestimmte ist recht hübsch und macht mit seinem englischen Staatsbett einen guten Eindruck; das andre große Zimmer bewohnen Rosalie und die Kinder; Betsy, das englische Mädchen, schläft in einem der kleinen Räume, der vierte und letzte ist eine angehende Fremden­stube, die hier spare-room geheißen. Durch ein an der Flurdecke befind­liches Loch steigt man mit Hülfe einer Leiter aufs Dach, von dem man eine reizende Aussicht hat. Da haben Sie unsre Wohnung von Kopf bis zu Fuß.

Nachdem ich nun mit meiner Beschreibung fertig bin, fühl ich, daß ein­zelnes darin mißverstanden werden und den Anschein gewinnen könnte, als sei ich bei der Einrichtung über ein verständiges Maß hinausgegangen, oder wenn das nicht, als sei ich ein weniges gekitzelt beim Anblick einer blumenbesetzten Tapete oder einer Glastür mit blau und roten Scheiben. Ich muß mich darüber erklären. Der Luxus und die Anforderungen an eine gewisse elegante Außenseite ist hier ungleich größer als bei uns; wer anständig wohnen will, muß mindestens so wohnen und eingerichtet sein, wie wir es sind. Verglichen mit Deutschland ist es schön und prächtig, verglichen mit dem hier Gäng und Geben, ist es nur eben anständig. Viele würden selbst das noch bestreiten. Wir haben kein Fortepiano, nur einen einzigen Wandspiegel, keine Damastgardinen, kein Sofa (nur 4 Lehn­stühle), keinen Kronleuchter, kein Gas, keine Ausschmückungsgegenstände, keine Blumen, keine Schränke und Mahagony-boards, keinen Groom, der in seiner mit Silberknöpfen besetzten Jacke die Tür öffnet, wenn geklin­gelt' wird, und die Visitenkarten in Empfang nimmt. Sie werden herzlich lachen, wenn Sie das lesen:Fontanes und ein Groom! Sie haben ganz recht, es ist zum Lachen; aber hier würde mans umgekehrt ganz in Ord­nung finden, daß ich solchen aufgeputzten Tagedieb im Hause hätte, dessen ganze Funktion darin besteht, Auskunft darüber zu erteilen, ob Mrs. Fontane zu Hause ist oder nicht. Man kann hier natürlich unter höchsten Einschränkungen leben so gut wie bei uns; von dem Augenblick an aber, wo man respectable people bei sich sehen und vor der Welt einen Gentle­man repräsentieren will, ist es mit der Einschränkung und dem Sichein­pferchen in ein ärmliches Stübchen vorbei. Die Art und Weise, wie wir hier leben, ist eine durchaus gebotene und nach englischen Vorstellungen von jeglicher Überhebung weit, w'eit ab. Es bliebe noch übrig, sich selbst die Frage vorzulegen: wie wird das alles auf dich wirken? wird es deinen Sinn auf das Äußerliche und Nebensächliche des Lebens lenken? wird es dich dir selber untreu machen? Ich antworte darauf mit jener Seelenruhe, wie sie aus der vollsten Überzeugung fließt: nein! Meine Frau und ich, die wir in dieser wie in mancher andern Beziehung von einer gleichen Organisation sind, lachen über das Ganze und werden dermaleinst von diesen Blumentapeten ohne Herzschmerzen Abschied nehmen. Was ich mir in der Welt erobern möchte, das ist eine gesicherte Existenz und die Un­abhängigkeit, die daraus fließt; ob ich mich derselben indes auf einem Brüsseler Teppich ä 20 £ oder auf einer Diele mit Klaffritzen erfreue, ist mir im wesentlichen gleichgültig. Ich bin kein Barbar, und ich ziehe das Feinere und Schönere vor, aber die Feinheit des Geistes und der