Heft 
(1985) 40
Seite
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Aber fast noch mehr könnte ich Sie um die 2 Speisekammern beneiden, was auch natürlich ist, wenn man wie ich nicht eine einzige gute besitzt. Überhaupt ersieht man aus der ganzen Einteilung das Praktische der Engländer. Bei uns ist noch kein Mensch darauf gekommen, zwei Zimmer, die in der Tiefe aneinander grenzen, mit gleicher Tapete auszustatten u. vermittelst einer großen Türe, die sich weit zurücklegen läßt, aus ihnen nach Belieben einen Saal zu machen u. doch ist es so natürlich. Ganz besonders gefällt mir noch das platte Dach mit der weiten Aussicht ich rate Ihnen, sich dort oben noch ein Plätzchen des Abends zum Teetrinken zurechtzumachen. Sie können ja den Korb mit den Teesachen, wenn Sie auf der Leiter erst hinausgestiegen sind, durch die Öffnung vermittelst einer Schnur heraufziehen; das würde mir sehr viel Spaß machen, so eine Art schwebender Garten, und wenn das auch nicht gehen sollte, so kön­nen Sie doch spätabends den gestirnten Himmel von dort ganz über sich sehen u. unter sich die schlummernde Stadt ich würde die Leiter häufig in Bewegung setzen, wenn ich einmal in der Fremdenstube einsprechen sollte. Mein Mann hat den Brief des Ihrigen dem Rütli mitgeteilt, der großen Anteil erregt hat; nur mit den venezianischen Blenden hat man sich keinen Rat gewußt, selbst der kunstgerechte Eggers hat keinen Aufschluß darüber zu geben gewußt, und Lazarus hat zuletzt ein Lexikon auf­geschlagen, ohne aber auch hierin die gewünschte Aufklärung zu finden. Mein Mann glaubt, daß es Jalousien seien. Es ist daher wünschenswert, daß eines von Ihnen sich noch naher darüber ausspricht. Ein recht an­ziehender Roman der CavaignackDaysi Burns spielt in einem solchen Häuschen wie das Ihre suchen Sie sich ihn doch zu verschaffen Sie haben ja nun den Vorteil, ihn im Original lesen zu können. Ich erinnere mich, daß mich die Mischung von Stadt u. Land in dieser Gegend interessierte. Unsere Gegend hier vorm Tore ist diesen Sommer grundlos eingestaubt nur mein Baum hält sich noch, die andern sind gar nicht zum Ansehen. Das Wasser wird knapp man besorgt Wassernot, die sich zunächst für die Hausfrauen bei Beschaffung des Winterholzes sehr schmerzlich dokumentiert. Für die Mark konnte kein schlimmerer Som­mer kommen als der diesjährige. Es ist nichts mit dem immer schönen Wetter. Mir ist die Luft hier auch nicht bekommen. Man ließ sich durch die schönen Melonen verleiten, öfter davon zu naschen. Das hat gastrische Zustände bei mir erzeugt, die ich dann immer schwer los werde. Es hat weiter nichts auf sich, aber es ist doch unangenehm, stört und hindert in allen Vorsätzen. So habe ich mir in den letzten Wochen die Welt meist nur von meinem Fenster aus beschaut, wo es allerdings bunt genug vor demselben zugeht:

Und nahe hör ich wie ein rauschend Wehr

Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen

Indessen solche Gefangenschaft hat auch sein Gutes, ich gucke dann öfterer in meinen Bücherschrank und in mein Notenschränkchen als sonst. Diesmal habe ich mir meinen alten Jugendfreund Jean Paul wieder einmal hervorgeholt, den ich freilich jetzt mit kälterem Blick prüfe, aber dennoch des Schönen genug darin finde. Hintereinander kann man ihn