versichern können, daß Prinz Albrecht (Sohn) bis zum dritten, Graf Dohna oder Groben bis zum 4. Akt ausgehalten haben und daß der König gemurmelt hat: „Wäre schließlich heut lieber im ,Herodes‘ als in Potsdam und lieber unter Lepels als unter Schönleins Händen.“
Das führt mich denn auf die Tagesfrage. Wie steht es denn eigentlich? Man erfährt hier nichts Sichres und muß immer zwischen den Zeilen lesen. Selbst die körperliche Genesung scheint mir noch keineswegs gesichert, und wenn, wie vermutet, nur diese erfolgen sollte, so wünsch ich in aller Loyalität und um des Königs und seines historischen Fortlebens willen, daß er sterben möge. Wie aber, wenn es anders beschlossen ist und wenn uns eine 6 oder 8 oder selbst 10jährige Regentschaft, gleichviel in welcher Form, bevorsteht? Es ist nicht unmöglich, daß eine solche dem Lande zum Segen gereichen und eine gedeihliche Fortentwicklung des konstitutionellen Lebens im Gefolge haben könnte, aber es ist auch eben nichts weiter als eine Möglichkeit. Nicht ohne Besorgnis dürfen wir in die Zukunft blicken; über kurz oder lang kommt doch mal wieder ein großer Krach von Frankreich her, und die Flut wird uns fortreißen wie immer, wenn man bis dahin nicht verstanden hat, die Sicherheitsdämme zu baun. Ich kann nicht sehn, daß man sich auch nur im leisesten dazu anschickt. Ich kenne nur ein Mittel: strenge Gesetze und gerechte Richter, aber Befreiung von der Polizeijustiz, die wenig besser als Drude und Willkür ist.
Ihren Ansichten über England und Indien stimm ich nicht ganz bei. Ich bin weder so streng gegen das eine noch gegen das andre. Ich glaube nicht, daß sich England besonders saumselig gezeigt, noch daß Indien alle unsre Sympathien verwirkt hat. Wir dürfen ad I nicht vergessen, daß viel Tuch zwischen hier und Calcutta liegt und daß Indien selbst eine so riesenhaft ausgedehnte Besitzung ist, daß man sich in Calcutta wiederum über die Ausdehnung und Bedeutung dessen irren kann, was in Mirut oder Delhi vorgeht. Man unterschätzte hier anfangs die Insurrektion, was weder ein Fehler noch ein Verbrechen ist; als man schließlich sich von der Größe der Gefahr überzeugt hatte, glaubte man wieder nicht eilen und zu extraordinären Maßregeln greifen zu dürfen, weil man sich sagte: eben jetzt ist der Punkt, wo unsre ersten Verstärkungen von China, Ceylon, Cap, Mauritius und selbst die ersten Regimenter von England eingetroffen sind; es sind 10 000 Mann, und wir wissen, was 10 000 Mann in Indien zu bedeuten haben. Die letzten Nachrichten zeigen, daß diese Rechnung richtig war. Aber ganz abgesehn von alledem, was Absicht und nüchterne Berechnung im Verfahren Englands gewesen sein mag, England hat allerdings nicht jede Minute 15 Linienschiffe und 30 000 Mann in Bereitschaft, und gerade die Größe und der Welteinfluß dieses Landes bringt es mit sich, daß nicht immer Flotten und Armeen brach liegen und des ersten Winks gewärtig sein können. Wo man die Leute von der Straße nimmt, in einen blauen Rock steckt und schwören läßt, ist es freilich nicht schwer, 50 000 Mann zwischen Oder und Rhein hin und her marschieren zu lassen; aber sie sind in der Regel danach. Gute Truppen verlangen Zeit, und was England davon hat, reicht für den gewöhnlichen Dienst nur eben aus. Mehr davon auf Vorrat herstellen,
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