Erde — Schädlinge sind's, die uns jede Schiffsladung aus Europa bringt — ach, was tun Sie mir leid, daß Sie mit denen leben müssen, denn ich kenne nicht nur jene, ich kenne doch auch Sie..."
Seine Augen waren feucht vor Zorn oder Ergriffenheit. Und Thomasine Rasmussen stand langsam auf und schüttelte sich den Staub von dem Rock und fragte: „Woher denn nur?"
„Vielleicht aus einem frühem Leben", sagte Kilian Böhm. „Vielleicht schon vor zweihundert Jahren oder mehr ..." Und der Gedanke, wie uralt sie doch beide seien und wie lange mit einander bekannt, verbreitete ein verstohlenes Lächeln über seine weichen Züge. Da war sein Tollpunkt wieder. Es schoß Thomasine durch den Kopf: Mit den Arabern möchte ich nicht allein hier oben sein. Aber mit ihm allein auch nicht. Gut, daß ich beide beisammen Hab'! Und dann schaute sie auf die Uhr und sagte: „Oh weh, ich muß machen, daß ich heimkomme!"
„Warum denn? Jetzt wird's hier gerade erst schön! Mittags kommt kein Mensch herauf!"
„Aber man erwartet mich doch im Hotel zum Lunch. Wenn ich nicht sehr eile, komm' ich schon zu spät!"
Kilian Böhm holte ein Pack zusammengedörrter Datteln aus der Ärmeltasche seines Mantels und wog sie in der
Hand. „Das würde ich gern' mit Ihnen teilen!" sagte er. „Was seid ihr für Menschen, daß ihr euer Leben
nach euern Mahlzeiten einteilt? Das scheint euch das wich
tigste, daß ihr dreimal am Tage andere Geschöpfe Gottes zwischen den Zähnen habt. Raubtiere seid ihr — Raubtiere bleibt ihr — ich esse schon lange kein Fleisch! Wollen Sie wirklich fort?"
„Ich muß. Um Zwölf sperren sie doch die Nilbrücke. Dann kann ich lange warten!"
Ihr Gefährte seufzte. Er erhob keinen Einwand mehr.
„Also gut! Kehren Sie nach Kairo zurück! Aber es ist schade um Sie —!"
Es klang so wunderlich — so vorwurfsvoll . . und traurig . . Thomasine Rasmussen war betroffen. Das kehrte bei ihm immer wieder, daß er sie für eine Art Auserwählte hielt. Und sie versetzte noch einmal, den Schleier festbindend: „Ich glaube, ich scheine Ihnen viel mehr als ich bin!"
„Nein!" Kilian Böhm sagte das laut und rechthaberisch, und ebenso befahl er den Beduinen den Abstieg. Der war noch mühsamer und langsamer als das Emporklimmen. Thomasine Rasmussen beneidete ihren Freund, der ganz sorglos, sich mit seinen bloßen Füßen in das warme Gestein ein
krallend, mehr hinunterrutschte als kletterte und schon lange, ehe sie anlangte, mit gekreuzten Beinen zwischen den Beduinen unten saß, wie wenn er selber ein Esels- oder Kameltreiber wäre, und sich mit ihnen auf arabisch unterhielt und freundlich mit den kleinen Kindern spielte, die um ihn im Sand purzelten. Dann stand er auf und begleitete sie, nachdem sie sich etwas ausgeruht, zur Bahn — man konnte ihn für einen Eingeborenen halten, der Führerdienste für sie tat — und sprach auf dem Weg ganz vernünftig — sie solle gleich, wenn sie nach Hause komme, sich mit Augenwasser waschen, wegen des Sandes, und derlei, was jeder andere auch hätte äußern können. Es schien, daß er seine gefährlichen Rückfälle in die Seelenwanderung gewaltsam unterdrückte, um ihr nicht unnütz Mißtrauen einzuflößen. So brachte er sie an den Zug, der sich eben zur Abfahrt anschickte, und sie reichte, Zum Staunen der Mitreisenden und zur besonderen Mißbilligung der Engländer, ihm, einem ärmlichen Araber, die Hand und versetzte auffallend ernst: „Ich danke Ihnen, Herr Doktor Böhm! Ich werd', so gut ich kann, das nutzen, was Sie mir gesagt haben!" — Und er hielt wieder ihre Rechte fest, gerade wie oben auf der Pyramide, und fragte eindringlich, ängstlich — denn der Wagen setzte sich schon in Bewegung: „Ich könnte Ihnen noch viel mehr sagen ... ich müßte nur wissen, wo man Sie trifft — hoffentlich doch bald einmal — nicht wahr — nicht wahr?"
„Ja — das ist doch so schwer — weil man Sie doch hier in der Wüste aufsuchen muß ..."
Kilian Böhm ging traurig neben dem Wagen her. Er sah das ein. In Shepheards Hotel und an ähnlichen Orten, wo Thomasine Rasmussen zu Hause war, war er freilich unmöglich. Da ließ man gar keine Eingeborenen hinein, deren Tracht er doch trug.
„Aber Sie bleiben doch noch hier?" fragte er, bittend, so als ob sie das seinetwegen tun müsse.
„Ja — einige Zeit noch!"
„Da macht es sich doch gewiß noch! Bitte! Bitte!" Sie verstand seine Worte kaum mehr. Die Rüder rollten schon zu schnell. Kilian Böhm trabte nebenher und kam doch nicht mit. „Ja — hoffentlich!" rief sie ihm nach, den blonden Kopf aus dem Fenster beugend, und sah eben noch, wie er die Hand zum Abschiedsgruß erhob — nicht auf orientalische Art, sondern zu einem kameradschaftlichen Wink in die Ferne. .Und dann sauste der Zug, in Staubmassen gehüllt, durch das grüne, sonnenüberglühte Fruchtland dahin und brachte sie gerade noch zum Lunch nach Kairo zurück.
(Fortsetzung folgt.)
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6rahhrr;og Friedrich und Gruhherrumn Uuise von Laden
zur goldenen
Von Alberta
war am 20. September 1866, als in Berlin, am Hof des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, ^ ^ des Oheims der königlichen Braut, die Vermählung stattfand, deren goldene Mprtenfeier in diesen Tagen in der Kapelle des großherzoglichen Schlosses zu Karlsruhe feierlich begangen wird. Bon allen Seiten sind die kaiserlichen und fürstlichen Gäste und Verwandten glückwünschend dazu herbeigeeilt, während zur selben Stunde durch das ganze Land ein tausendstimmiges Dankgebet zum Himmel emporsteigt und beim Flattern der Fahnen, beim Geläut aller Glocken, beim Kanonendonner und freudigen Hurrarufen Zeugnis gegeben ist, wie sie alle, jung und alt, tiefgerührten Herzens teilnehmen am goldenen Freuden- und Ehrenfest ihres allgeliebten Herrscherpaares, die Bewohner des gesegneten Landes Baden, von den silberglitzernden Wogen des Bodensees an
LochMskeier.
von Freydorf.
bis zu den blauen Fluten des Mains, von den dunkeln Tannen des Schwarzwalds bis hinauf zu den Laubhüngen des Odenwalds.
Großherzog Friedrich, der edle, der deutsche, der in diesen Tagen — am 9. September — auch unter dem fernhertönenden Jubel seines Volkes, doch im engsten Familienkreis, umgeben von Kindern, Enkeln und Urenkeln, in der Stille der paradiesischen Mainauinsel seinen 80. Geburtstag begeht, und Großherzogin Luise, sie sind es, denen das hohe Glück verliehen ward, in seltener Frische und Gesundheit und ' immer noch unermüdlicher Tätigkeit ein Fest zu feiern, wie es auf den Höhen des Lebens nur wenigen Auserwählten vergönnt ist.
Nach der Vermählung in Berlin, die mit der Entfaltung allen Glanzes gehalten wurde, wie es nach alten: Herkommen