Heft 
(1906) 35
Seite
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Aber der Grimm in Janfredrik machte es ihm unmöglich, zuzuhören. Er unterbrach:

Du hast ihr lieb, was? Hast nie ein ander liebgehabt? Das Lied kenn' ich, brauchst mir's nicht erst vorzusingen. Aber ich bin kein dumme Dern. Ich mach' reinen Tisch. So!" Er hieb mit der Faust durch die Luft.Was faul is in sein Wurzel, das muß weg. Muß weg! Verstehst mich? Eure Liebe muß weg. Du mußt weg, Gerd Klünders."

Und nun mußte er abbrechen. Nicht so sehr der schnelle Lauf, als die Leidenschaft, die in ihm kochte, zerschnitt ihm die Stimme.

Da sprach Gerd Klünders:Herr Holm, von keinem als von Ihnen würd' ich in Ruhe solche Reden ertragen. Aber mit Ihnen Hab' ich Geduld, darum, weil ich der Bruder meiner Schwester bin, weil Ihr Schicksal, Janfredrik Holm, vielleicht der tiefste Eindruck gewesen ist, den mein Knabenherz empfangen hat. Aber seien auch Sie gerecht. Wollen Sie wirklich mich verantwortlich machen für meiner Schwester Unrecht?"

Blut is Blut", sagte Holm.Mich alten Bauer wirst nich glauben machen, daß ein' vom Schlehdorn Kirschen pflückt, oder daß ein Füchsin Fohlen zur Welt bringt."

Was für eine Bürgschaft verlangen Sie?" fragte Gerd. Er zog sein Skizzenbuch aus der Tasche.Soll ich jetzt gleich hier in Ihrer Gegenwart niederschreiben auf mein Ehrenwort und an Eides Statt, daß ich Trina Swensen von ganzem Herzen liebe und sie in der kürzesten Frist, die das Gesetz zuläßt, hei­raten will? Warten Sie, vielleicht beruhigt Sie das. Und es entspricht nur dem, was ich schon heut morgen Ihnen gesagt haben würde, wenn Sie mich hätten anhören wollen."

Während er sprach, begann Gerd zu schreiben.

Unruhig sah Janfredrik ihm zu, befremdet, fast enttäuscht. Er hatte anderes erwartet: Ausflüchte, Redensarten, ein Aus­biegen, Entgleiten. Was Gerd sagte und tat, trug den Stempel der Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit. Aber anstatt Janfredrik zu beruhigen, regte diese unerwartete Wendung ihn nur noch mehr auf. Jetzt erst wurde es Ernst. Nicht einen Dieb galt es fortzuscheuchen: ein Eigentümer forderte in

gutem Glauben sein Recht. Nein, es war nicht sein Recht. Nie würde er es ihm geben.

Janfredrik stieß nach der Hand, die ihm den unterschriebenen Schein reichte.Was gehn dein Absichten mich an? Ob du ihr heiraten willst oder nich, ich geb sie dir nich. Nie. Sie is mein. Mein Tochter. Die geb ich kein', der Klünders heißt."

Auch in Gerd regte sich jetzt der Zorn.Sie haben gar kein Recht, mir das Mädchen, das mich liebt, das ich liebe, vorzuenthalten, Herr Holm."

So? Meinst das?"

Selbst meiner Schwester können Sie nur nachtragen, was Sie im Herzen durch sie gelitten haben, nicht das, wozu Ihre Enttäuschung Sie getrieben hat."

Was?"

Die Tat gehört immer dem Täter, Herr Holm."

Janfredrik strich sich das Haar aus der Stirn.Um das, was gewesen is, wollen wir nu nich streiten. Ich bin gekommen, um ganz was anderes von dir zu fordern, als was da auf dein Wisch von Papier auf steht." Er sprach leise zwischen den Zähnen.Du sollst swören, Gerd Klünders, jetzt gleich swören, daß du dein Sachen zusammenpackst un morgen früh aus Schmalenbeek weggehst. Dich auch nie wieder sehen lässest hier in'n Moor. Daß du Trina Swensen vorher nich sprechen willst, auch später in kein Weise mehr inkommodieren. So. Heb dein Hand auf un swör das."

In der Ungeheuern Erregung, die er kaum niederzwang, hatte Janfredrik die Flinte von der Schulter genommen und zerrte am Lauf.

Und wenn ich das nicht schwöre," sagte Gerd Klünders und sah ihm fest in die Augen,dann wollen Sie mich wohl er­morden, Janfredrik Holm, wie ihren Freund Brün Lorensen?"

Eine Ernüchterung kam über Janfredrik. Unwillkürlich beugte er die Mündung zur Seite.

Was hängst du dir gerad an Trina Swensen?" murmelte er.Da sind Derns genug für dein Jugend. Ich bin ein alten, einsamen Mann. Ich Hab kein Frau, kein Kind, niemand, niemand als das Mädchen. Sie is mein Tochter. Ich Hab ein größer Recht dran, als wenn ihr Mutter sie mir geboren hätt. Da sollst du Respekt vor haben und sie mir lassen."

Bleibt sie denn nicht Ihre Tochter, Herr Holm, auch wenn sie meine Frau wird?"

Janfredrik hob abwehrend die Hand.Nein! Da is ein Graben, da is ein Meer zwischen die Klünders un mir."

Unsere Liebe schlägt die Brücke darüber."

Ich will nich", sagte Janfredrik.Ich kann nich. Sie dir geben, das.is, als wenn ich ihr begrübe. Ich will nich mein Bestes mir aus dem Herzen reißen, weil du dreist genug bist, un streckst die Hand danach aus. Ich will nich, verstehst?" Wieder zerrte er am Lauf.Und ich bin ein, der sein Willen durchsetzt."

Und fühlen Sie nicht, daß in dieser Liebe Ihrer Adoptiv­tochter und Sophees Bruder gerade die Versöhnung mit der Vergangenheit liegt? Daß in unserm Hellen, schuldlosen Glück Schuld und Leid von einst auslöschen?"

Wie du snacken kannst! Gerad wie sie"

Geben Sie mir Trina, Janfredrik Holm. Sie müssen sie mir ja geben."

Nein!" Janfredrik schrie es.

Gerd blieb gelassen.Sie werden sie mir geben. Aber es ist nicht gut, an diesem Ort in der sinkenden Nacht uns von diesen Dingen zu unterhalten. Sie werden Nachdenken. Im Sonnenlicht morgen sprechen wir weiter."

Nie."

Doch." Gerd lüstete den Hut. Und weil Janfredrik wie ein Pfahl vor dem Pfad zum Dorf stand, ging er lang­sam tiefer ins Moor, dort hinaus, wo der letzte gelbe Strich des Abendrots seinen Goldglanz auf den Schnee des Flocken­grases warf. Janfredrik hielt ihn nicht zurück. Reglos, mit starrem Blick sah er ihm nach.

Wie er der andern glich! Aus Blick, Mienen, Lächeln, Stimmklang war die alte Zeit aufgestanden, die stürmische Frühlingszeit seiner Leidenschaft. Aus tausend vernarbt ge­wesenen Wunden brach blutig der alte Schmerz. Als erlitte er heute den Verrat, so empfand er ihn. Sophees Helles Spottlachen am Arm des Geliebten, Brüns Todesseufzer klangen vor seinem Ohr, als hätte das schweigende Moor um ihn sie ausgestoßen. Und dem Bruder der Schändlichen sollte er die Tochter seines Herzens geben?! Nein. Das war un­geheuerlich! Das würde nicht geschehen. Jedem Mann, den Trina sich erwählte dem nicht. Er gab sie ihm nicht!

Aber hält man, was nicht bleiben will? So lange es einen Gerd Klünders gab, würde keine Menschenmacht Trina Swensen von ihm zurückhalten. Nur wenn er tot war. Ach! Wär er tot! Sie würde ihn betrauern nicht lange. Jugend vergißt. Und dann bliebe sie sein Kind für immer. Nichts konnte sie von ihm trennen als die Liebe zu diesem Mann. Wär' er tot!

Mit heißen Augen begann Holm Gerd zu suchen. Aber er sah keine Gestalt auf dem weiten Moor. Nur der Streif von weißem Flockengras schimmerte noch gespenstisch herüber durch die einbrechende Nacht.

Das war seltsam. Seine Augen sahen wie Eulenaugen durch das Dunkel. Und plötzlich durchzuckte ihn ein wild freudiger Schreck. Hatte sein Wünschen geheimnisvoll wirkende Gewalt? Nach dem Wildbruch zu war jener gegangen eine gefährliche Straße bei sinkender Nacht, doppelt gefährlich für einen Ortsfremden. Ob er nun um den Sumpf herum das obere Ende des Dorfes zu erreichen suchte oder am Rand hin nach St. Jürgen hinüberstrebte, bei jedem Schritt lauerte die schlammige Tiefe. Vielleicht Hielt sie ihn schon gefangen, er versank Zoll um Zoll.

Horch! War das nicht ein Ruf von einer Menschenstimme? Ein Hilferuf? Oder klagten nur die Unken im Teich so laut? Schrie ein Nachtvogel zornig über entflohene Beute?