Heft 
(1985) 40
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und wirtschaftlich wichtigen Bereiche, ein Vorgang, wie ihn die Erforder­nisse der Massengesellschaft des neuen Industriezeitalters erheischten, erschien ihmfür Preußen und die preußische Armee ganz gleichgültig, ja sogar notwendig.Mensch ist Mensch. Auch um Ideen braucht man sich nicht zu sorgen.Man hat gesagt: ,Preußen werde durch Subalterne regiert', schrieb er 1895 an Tochter Mete.Das ist richtig und auch gut so. Denn:Die Subalternen . .. sorgen für Ordnung, Sauberkeit und Herrschaft des gesunden Menschenverstandes. Die ,Ideen finden sich von selbst, die wachsen räthselvoll und sind mit einem Male da. Das Wort Nietzsches von der ,Umwerthung der Dinge, die durchaus stattflnden müsse, trifft überall zu. 13

Einen Markstein hierfür hatte derWestwind aus Richtung 1789, hatten Preußens große Reformer, hatte das Jahr 1813 gesetzt. Othegraven, der Directeur adjoint, starbcomme un vieux soldat, ebenso dieserKaker­laken-Grell. SolchenKonrektors hing man keinenPapierzopf mehr an oderbemalte ihnen den Rücken. 14 Männer ihres Zuschnitts standen längst jenseits aller herkömmlichen Schulzenschaft, deren Wesen im Mangel an Gesinnung und Charakter gründet und Menschen von ebenso engem wie ängstlichem Geist meint. Diesenur auf Gehorsam gestellte Schulzenschaft derStreber und Carrieremacher, der agilen Opportunisten und Gehorsamsfetischisten mit ihrem mechanisch funktionierenden Ehrenstandpunkt und ihren erstarrtem Traditionalismus entlehnten Ideen, brauchbar als Versatzstücke für alle Gelegenheiten, war weder an Rang und Stand noch an Examina und Einkommen gebunden. Gegen solche in tieferem Sinne als geistige Schulzenschaft einzustufenden be­denklichen Erscheinungsformen unter derregierenden Klasse, wie sie im Protagonisten derpreußischen Idee Gestalt annahmen, gegendas wahre Bourgeoistum nicht zuletzt richtete sich Fontanes Zorn. Qualifika­tionen empfand er nicht als schichtgebunden, für ihn lebten sieeinfach in den Individuen. 15 Nicht minder verdroß ihn, in seinem literarischen Schaffen der künstlerisch-ästhetischen Schulzenschaft so vieler seiner schreibenden Zeitgenossen ausnahmslos gleichgestellt zu werden. Seines sublimen Künstlertums sehr bewußt, mußte er erkennen, daß alle auf­gewendete Müheeinem nichts hilft und daß man in der Müller-Schulzen­schaft stecken bleibt (wenigstens nach Meinung der Leute). Und das hat ihmalle Lust verdorben. 16 Um so höher veranschlagte er, in Wilhelm Raabeeinem Individuum zu begegnen und seiner Eigenart. Dem so oft als Sonderling angesehenen bedeutenden Niedersachsen klagte er:Alles, was jetzt den Tag und die Journale beherrscht, ist physiognomielos, kann von Müller, aber auch von Schulze sein. Spaltenfutter und damit basta! 17 Dagegen verschlug es wenig, die materielle Schulzenschaft, d. h. die finan­zielle Abhängigkeit der zahllosen kleinen Leute mit den schmalen Budgets, wenn auch unfreiwillig, teilen zu müssen. Halb wehmütig, halb ironisch auf seine begrenzten Lebensumstände anspielend, notierte er 1887: Bleichroeder gehört nach Treport oder Biarritz, ich gehöre nach Seebad Rüdersdorf. 18

Der kategorische Imperativ, so hatte Stägemann seinem alle Mündigkeit so sehr entbehrendem Mündel nach Schulpforta geschrieben, lehrt uns,

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