Heft 
(1985) 40
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daß wir nicht da sind, um glücklich zu sein, sondern um unsre Schuldig­keit zu tun. Wesentlich sei allein das Pflichtbewußtsein. Es befreievon allem Selbstischen, Feigen, Schwächlichen. 19 Inpreußische Idee aus­gemünzt, wurden Pflicht, Gehorsam, Ordnungssinn, Verzicht auf Selbst­bestimmung und die Hinnahme fortwährenden Mangels bei höchster Anspannung aller Kräfte nicht selten zur Moral desKlappens und der Zwecke und gerannen zumBegriffskatalog unterworfener Existenzen. 2 * 1 Wie sehr dominierende Verhaltensweisen dieser Art ihre höchst proble­matische Kehrseite haben können, bedarf keiner weiteren Erörterung. Solange jedoch die meisten Menschen in diesem Lande aus eigenem An­trieb vermochten,dem Gewöhnlichen einen Schimmer des Besonderen zu verleihen 2 *, solange entbehrte solche Haltung, die niemals nur an­erzogen oder aufgezwungen war, nicht einer gewissen Größe.Alle Dinge haben ihre 2 Seiten, stellt Professor Hehnchen fest,und wenn man die einem liebevoll zugekehrte liebevoll ansieht, findet man, daß es die richtige ist. 22 Wo solches Denken freilich mit überzogener Härte Platz griff, ver­mochte Fontane nicht zuzustimmen, wie sein Nachruf auf Mathilde von Rohr zeigt, in welchem er auf solchebrandenburgischen Maximen zu sprechen kommt wie:Nie über seine Verhältnisse leben.Niemandem zur Last fallen.Ich will keinen Taler.Nur nichts annehmen. Solchen Sätzen sprach erjede höhere und mehr noch jede schönere Berechtigung ab.Das arme Land hat eben in den Jahrhunderten eine dieser Armut entsprechende Weisheit großgezogen. 23 Es hat seinen Bewohnern aber auch ein besonderes Verhältnis zum tätigen Leben vermittelt, und zwar Leistungsbewußtsein und Opferbereitschaft, ohne welche der Aufstieg von derStreusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches zu einem Staat von europäischem Rang niemals hätte Wirklichkeit werden können. Hatte nach Kant vor allem die Gesetzlichkeit einer Handlung als Trieb­feder ihrer Verwirklichung zu dienen, und verlangte Pflicht fern aller Einschmeichelung nichts als Unterwerfung, so prüfte Fontane vor allem die Gesinnung, welcher das Handeln entsprang, bewertete er die Gewis­sensentscheidung des einzelnen, mochte sie zum gewünschten Erfolg führen oder nicht. Gesinnung war ihm am Ende wichtiger als das Resultat des Handelns selbst. Das sittliche Ethos des preußischen Staates, seine Mora­lität, interessierte ihn weitaus mehr als dessen faktisch-politische Erfolgs­bilanz. Wozu der Rigorismus gesetzlich-pflichtgemäßen Handelns miß­braucht werden konnte, dafür legt Preußens Geschichte so manches Zeug­nis ab. Rückt gar der Tod des Griechen Epaminondas in eine Reihe mit dem klaglos-unrühmlichen Versinken eines preußischen Kriegers im Sumpf des Burggrabens zu Angermünde zur Zeit des Kurfürsten Friedrich Eisen­zahn, so läßt sich die Schärfe der Kritik am mechanisch befolgten Befehl, also an der geistigen Schulzenschaft, nicht verkennen. Carl Zuckmayer wird solche Auslegung des kategorischen Imperativs auf die Spitze treiben, wenn er mehr als ein Vierteljahrhundert später das Bismarck-Reich hat inzwischen den Ersten Weltkrieg verloren den Potsdamer Uniform­schneider Adolf Wormser feststellen läßt:Was sag ich immer? Der alte Fritz, der kategorische Imperativ und unser Exerzierreglement, das macht uns keiner nach! Das und die Klassiker, damit hammers geschafft in der

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