„daß wir nicht da sind, um glücklich zu sein, sondern um unsre Schuldigkeit zu tun.“ Wesentlich sei allein das Pflichtbewußtsein. Es befreie „von allem Selbstischen, Feigen, Schwächlichen“. 19 In „preußische Idee“ ausgemünzt, wurden Pflicht, Gehorsam, Ordnungssinn, Verzicht auf Selbstbestimmung und die Hinnahme fortwährenden Mangels bei höchster Anspannung aller Kräfte nicht selten zur Moral des „Klappens und der Zwecke“ und gerannen zum „Begriffskatalog unterworfener Existenzen“. 2 * 1 Wie sehr dominierende Verhaltensweisen dieser Art ihre höchst problematische Kehrseite haben können, bedarf keiner weiteren Erörterung. Solange jedoch die meisten Menschen in diesem Lande aus eigenem Antrieb vermochten, „dem Gewöhnlichen einen Schimmer des Besonderen zu verleihen“ 2 *, solange entbehrte solche Haltung, die niemals nur anerzogen oder aufgezwungen war, nicht einer gewissen Größe. „Alle Dinge haben ihre 2 Seiten“, stellt Professor Hehnchen fest, „und wenn man die einem liebevoll zugekehrte liebevoll ansieht, findet man, daß es die richtige ist.“ 22 Wo solches Denken freilich mit überzogener Härte Platz griff, vermochte Fontane nicht zuzustimmen, wie sein Nachruf auf Mathilde von Rohr zeigt, in welchem er auf solche „brandenburgischen“ Maximen zu sprechen kommt wie: „Nie über seine Verhältnisse leben“. „Niemandem zur Last fallen“. „Ich will keinen Taler“. „Nur nichts annehmen“. Solchen Sätzen sprach er „jede höhere und mehr noch jede schönere Berechtigung“ ab. „Das arme Land hat eben in den Jahrhunderten eine dieser Armut entsprechende Weisheit großgezogen.“ 23 Es hat seinen Bewohnern aber auch ein besonderes Verhältnis zum tätigen Leben vermittelt, und zwar Leistungsbewußtsein und Opferbereitschaft, ohne welche der Aufstieg von der „Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches“ zu einem Staat von europäischem Rang niemals hätte Wirklichkeit werden können. Hatte nach Kant vor allem die Gesetzlichkeit einer Handlung als Triebfeder ihrer Verwirklichung zu dienen, und verlangte Pflicht fern aller „Einschmeichelung“ nichts als Unterwerfung, so prüfte Fontane vor allem die Gesinnung, welcher das Handeln entsprang, bewertete er die Gewissensentscheidung des einzelnen, mochte sie zum gewünschten Erfolg führen oder nicht. Gesinnung war ihm am Ende wichtiger als das Resultat des Handelns selbst. Das sittliche Ethos des preußischen Staates, seine Moralität, interessierte ihn weitaus mehr als dessen faktisch-politische Erfolgsbilanz. Wozu der Rigorismus gesetzlich-pflichtgemäßen Handelns mißbraucht werden konnte, dafür legt Preußens Geschichte so manches Zeugnis ab. Rückt gar der Tod des Griechen Epaminondas in eine Reihe mit dem klaglos-unrühmlichen Versinken eines preußischen Kriegers im Sumpf des Burggrabens zu Angermünde zur Zeit des Kurfürsten Friedrich Eisenzahn, so läßt sich die Schärfe der Kritik am mechanisch befolgten Befehl, also an der geistigen Schulzenschaft, nicht verkennen. Carl Zuckmayer wird solche Auslegung des kategorischen Imperativs auf die Spitze treiben, wenn er mehr als ein Vierteljahrhundert später — das Bismarck-Reich hat inzwischen den Ersten Weltkrieg verloren — den Potsdamer Uniformschneider Adolf Wormser feststellen läßt: „Was sag ich immer? Der alte Fritz, der kategorische Imperativ und unser Exerzierreglement, das macht uns keiner nach! Das und die Klassiker, damit hammer’s geschafft in der
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