Heft 
(1985) 40
Seite
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wie sie Fontane dem alten Preußen als tragendes Fundament zumaß. Solcher Befunde ungeachtet, wagte Fontane gleichwohl den Versuch, die preußische Idee auch im Widerspruch zu erkennen, wie Wruck betont. Man muß hinzufügen: er hat es trotz allem versucht. Dabei gelangte er fallweise, etwa was die Schaffung des deutschen Einheitsstaates betraf, bis zur Übereinstimmung mit dem herrschenden Bewußtsein. Im ganzen konnte dies freilich nicht gelingen. Sein ausgesprochenes Loyalitätsbewußt­sein gegenüber dem preußischen Staat fühlte sich den neuen Zuständen um so weniger verpflichtet, je mehr sie, im Selbstischen befangen, von der einstigen Ideenpolitik, sei sie richtig oder falsch gewesen, nichts mehr wissen wollten, je mehran die Stelle des selbständigen Denkens ... Salamanderreiben und Nachplapperei 35 getreten waren.

Auffällig ist, daß vonGesinnung, die Fontane als Prüfstein fürIdeen galt, expressis verbis an keiner Stelle des Fragments die Rede ist, wohl aber von den Folgen ihres Ermangelns. Wie hatte Fontane 1898 an Gustav Keyßner geschrieben?Der Mensch kann nicht mehr thun, als sein Herz und wenns sein muß sein Leben einsetzen, sich ehrlich zu was zu beken­nen. Ist das da, kann von Phrase keine Rede mehr sein. 3fi Das gilt bis hin zum Widerstand, zur Fronde. Auch seine Auffassung von Heldentum belegt das. Man weiß, wie kritisch er dem, was seine Zeit unter Heldentum verstand, gegenüberstand, weil es ihm zumeist alsfable convenue, Renommisterei, Grogresultat 37 erschien. Nicht die spektakuläre Aktion, plangetreu und erfolgreich ausgeführt, fand seine Bewunderung, sondern Heldentum alsAusnahmezustand, alsProdukt einer Zwangslage 38 , als ganz stilles Heldentum 39 .Mein Heldentum, so leitet Lorenzen seine Geschichte vom Leutnant Greely ein, soll heißen, was ich für Helden­tum halte, das ist nicht auf dem Schlachtfelde zu Hause, das hat keinen Zeugen oder doch nur immer solche, die mit zugrunde gehn. Alles voll­zieht sich stumm, einsam, weitabgewandt ... Echtes Heldentum ... steht immer im Dienste einer Eigenidee, eines allereigensten Entschlusses ... Die Gesinnung entscheidet. Das steht mir fest. 40 Die Tat Greelys erfährt in ihrer Bewertung durch den alten Dubslav, durch Pastor Lorenzen und nicht zuletzt durch den Dichter selbereine schockierend andere Rang­ordnung, als Recht, Gesetz, Übereinkunft festgelegt haben. 41 Zur Staatsgesinnung eines Theodor Fontane gehörte der Pflichtgedanke ebenso wie Toleranz, gehörten Rechtsstaatlichkeit, Leistungsbereitschaft, geistige und politische Freiheit. Gesinnung wieder zum Maßstab des Den­kens, Handelns und Verhaltens zu erheben, erschien ihm als Gebot der Stunde für den einzelnen, für gesellschaftliche Gruppen, für dieregie­rende Klasse. Es galt, Verschüttetes freizulegen und Überkommenes kritisch zu überprüfen, um es dort, wo es standhielt, für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Hierauf zu hoffen, hörte Fontane nicht auf, wie wenig seine Erfahrung auch dazu berechtigen mochte.

In diesem Zusammenhang wurde ihm ein Mann wie Treitschke wichtig, der manches aussprach, was Fontane empfand. Der Herold der Reichs­einheit undPropagandist des Preußischen Reiches deutscher Nation, dessen ebenso souverän wie leidenschaftlich, emotionsgesättigt und wort­gewaltig vorgetragene Bildsprache so viele Zeitgenossen mitriß, schlug

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