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Instrument, das schon in gesunden Zeiten so viel zu erleiden hat, sollte wenigstens während einer krankhaften Störung völlige Schonung genießen. Nur dann kann man auch auf eine recht gründliche Ausheilung rechnen. Wird ein böser Katarrh nicht aus allen seinen Schlupfwinkeln Herausgetrieben, dann bleibt immer eine gewisse Neigung zurück, bei neuen schädlichen Einwirkungen wieder aufzuflackern, dann ist der zweite Anfall schon etwas hartnäckiger und der dritte noch mehr, und so entwickelt sich allmählich der chronische Katarrh, der dann schon viel ernstere, Zeit und Geld raubende Anstrengungen erfordert, bis man ihn wieder los wird. Aber hier schneide ich ein Kapitel an, das der Arzt nicht ohne leisen Tadel berühren kann. Lehrer sind häufig schwierige Patienten. Und das ist ganz verständlich. Wer so viel gefragt wird, der muß sich über alles seine eigene Ansicht bilden, und wenn er gewöhnt ist, sie autoritativ zu vertreten, so wird er auch geneigt sein, wenn der eigene Fall in Frage kommt, sich selbst eine Meinung darüber zu bilden, was ihm am zuträglichsten sei. So wird häufig dem Gedanken der Selbstüberwindung allzusehr gehuldigt, obwohl es zweifellos im geeigneten Fall seine volle Berechtigung hat, oder richtiger gesagt, hätte. Denn diejenigen Patienten wenden sie gewöhnlich nicht an, die die meiste Ursache hätten, sie sich zu predigen. — Man sollte sich auf dieses „Dagegenangehen" nicht zu sehr verlassen. Ich selbst kannte einen Lehrer, einen stoischen Philosophen, der den Grundsatz hatte: Krankheiten müssen negiert werden. Soweit es die Krankheiten seiner Schüler betraf, hatte er gewiß nur Zu häufig recht. Aber seinen eigenen fürchterlichen Husten, den er nicht behandeln lassen wollte, konnte er durch einfache Verneinung nicht aus der Welt schaffen, und schließlich wendete sich das Blatt, und der Husten negierte ihn. Aber auch das andere Extrem kann man häufig beobachten, und doch sollte es in gleicher Weise vermieden werden, nämlich die übermäßige Selbstbeobachtung an der Hand volkstümlicher medizinischer Schriften. Auf wenig Gebieten haben Einbildung und Hypochondrie ein so reiches Feld wie auf dem der Halsorgane. Natürlich, andere Organe kann man selbst nicht untersuchen, aber in den Hals kann man sich leicht hineinsehen. Man sollte dies grundsätzlich niemals tun. Denn man sieht immer etwas Bedenkliches. Nichts ist selbst für den Arzt schwieriger, als sich selbst zu beurteilen. Glaubt man nun eine Veränderung entdeckt zu haben, dann wird die Aufmerksamkeit immer mehr darauf gerichtet, dadurch werden die Nerven immer mehr eingeübt, die feinsten Veränderungen anzuzeigen, und so kommt man denn schließlich dazu, daß man sich nur schwer noch davon überzeugen lassen will, daß man eine Maus zu einem Elefanten gemacht hat.
Zum Schluß noch ein Wort über Abhärtungsmethoden und allgemeine Körperpflege. Auch hier ist es durchaus nicht so einfach und leicht, wie das gewöhnlich geübt wird, selbst für sich zu entscheiden, was man alles tun soll, um seine Gesundheit zu kräftigen. An Mitteln und Methoden fehlt's ja auch nicht. Eine überreiche Auswahl, die sich immerzu vermehrt, steht zu Gebote. Kalte und heiße Bäder, Dampf-, Licht-, Luftbäder, Sport und Gymnastik aller Art. Bei all diesen Dingen kommt es gar sehr darauf an, wer es tut und wie man's betreibt. Wie häufig wird nicht dem warnenden Arzt der Einwand entgegengehalten: Aber das soll doch so gesund sein! Nichts ist relativer als dieser Begriff. Gewiß, für den Gesunden
ist schließlich alles gesund. Für ihn gibt es alles mögliche, was seine Gesundheit noch weiter stahlt, und. vor allem — was ihr nicht schadet. Aber der zarte, schwächliche, besonders aber der angestrengte geistige Arbeiter, er sollte vorsichtig sein. Wer schon durch seinen Beruf zu einer fortwährenden Ausgabe von Nervenkraft genötigt ist, der muß sich manches versagen, was einem andern bekömmlich ist, der etwa nach einer längeren Reihe von Diners einen Teil der angesammelten Vorräte wieder opfern kann. Vor allem ist der Neurastheniker geneigt, jede neu auftauchende Methode mit Optimismus zu begrüßen und auch gewöhnlich gleich zu übertreiben. Er radelt zu viel, er übertreibt den Sport in den Bergen, er lebt vielleicht vegetarisch, trägt Jägerkleidung oder kleidet sich, neuerdings, nach Lahmann, er betreibt und übertreibt alle „natürlichen" Abhärtungsmethoden, die im Grund durchaus nicht so natürlich sind. Gar nicht so selten kommt es dem Arzt vor, daß ein Patient darüber klagt, wie er trotz aller Abhärtungen aus den Erkältungen nicht mehr heraus kommen könne. Nun sei er schon bald so weit, daß er sich im Winter das Eis aufhacken lasse, um ins Wasser zu steigen, und trotzdem! Natürlich hat er sich umgekehrt gerade dadurch immer neue Erkältungen zugezogen.
Auch in der Medizin kommt man übrigens von den vielen Kaltwasserprozeduren wieder mehr zurück, von den Abreibungen, Bädern usw. Man fand, daß diese Methoden zu stark konsumieren, besonders wenn es sich um schwächliche, nervöse Menschen und um zarte Kinder handelt und vor allem, wenn die verschiedenen Prozeduren „ohne Berufsstörung" durchgeführt werden sollen. Denn auch darin besteht ein gewaltiger Unterschied. Was man in den Ferien, wo die Nerven Ruhe haben, in einer gut geleiteten Anstalt vorzüglich verträgt, das würde unter Umständen zu Hause, während des anstrengenden Dienstes, schädlich wirken. Wird man also gefragt, was soll man tun, um sich abzuhärten, um die Erkältungen loszuwerden, um seinen Körper widerstandsfähig zu machen, so muß der erfahrene Arzt darauf antworten, daß eine allgemeine Antwort überhaupt nicht zu geben sei, es kommt immer auf die individuellen Verhältnisse an.
Um aber nicht mit so ganz leeren Händen von dem freundlichen Leser zu scheiden, will ich doch mit einem Rat schließen, der trotz des Gesagten von jedermann beherzigt werden kann, und ihm ein Mittel zur Abhärtung nennen, das sich mir unter allen Verhältnissen als das sicherste und unbedenklichste bewährt hat und das auch leicht durchzuführen ist, nicht viel kostet, außer der Zeit, und durch das man sich sicher manche Badereise ersparen kann, wenn man es nur ständig durchführt. Du wirst neugierig, lieber Leser, aber du kennst es längst. Dein Arzt hat es dir schon oft empfohlen. Du hast ihm nur nicht den verdienten Wert zuerkannt. Es heißt: viel Bewegung in frischer Luft. Ich verstehe darunter aber nicht eine Promenade durch die belebtesten Straßen, verehrte Damen, an den schönsten Auslagen vorbei und mit zeitweisen Unterbrechungen in den Läden, vielmehr eine rüstige Wanderung hinaus ins Freie. Das belebt und erfrischt und härtet ab. Unter einer Reihe von einfachen Mitteln, die ein bekannter englischer Arzt seinen Patienten zur Verlängerung des Lebens zu empfehlen pflegte, und zwar, wie er versicherte, mit Erfolg, war auch das, sich jeden Tag und bei jedem Wetter eine Stunde lang im Freien zu bewegen. Darin mag etwas Wahres liegen.
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Leisses Naar.
's Kam einer in der Nacht Und hat eine Krone gebracht. Sine Krone, von Krühreif Schwer, doch kein,
Auf die Naare dein.
Line Krone von Silber, rart und matt.
Oer Schmerr sie emsig geschmiedet hat.
Ou bist nun geadelt!
Ou bist nun gefeit!
Orag' still durchs Leben die Krone Leid.
IV 0. wunöerlv.