Issue 
(1906) 39
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gehen zur Arbeit und lachen nicht und sind nicht vergnügt, und kauen keine Feigen wie die Eseltreiber und Bettler hier, sondern fragen: Mas will denn der Nichtstuer?' und ein Schutzmann kriegt mich an der Schulter: -Stehen Sie auf . . . Sie stören den Verkehr!' . . . Und alles rennt im Regen und stößt sich mit den Ellbogen und tritt sich auf die Füße und drangt sich und ist außer Atem. Was mach' ich dort? . . . Dort gehe ich zugrunde! Hier leb' ich still wie ein Kräutchen am Weg. Es ist ja unnütz, aber es tut auch keinem weh. Darum Zer­tritt es auch keiner. Und darum bin ich gern hier und bleib' hier in der warmen Sonne. Mich hat das Morgenland seine Weisheit gelehrt: in Frieden zu leben und in Frieden zu sterben! Die Weisheit brauchen Sie nicht zu begreifen, mein liebes Fräu­lein Rasmussen, aber nur müssen Sie sie lassen. Es ist das einzige, was ich Hab'! Und nun leben Sie wohl!"

Sie Hielt seine Hand fest.Aber schreiben können wir uns doch!" sagte sie.Damit wir uns nicht ganz aus den Augen verlieren!"

Sie können ja schreiben!" Kilian Böhm lächelte.Aber es wird keine Antwort aus Kairo kommen! Ich bin für Sie gewesen und wieder versunken. Das sind ja alles nur Ringe im Wasser . . . wie bunte Seifenblasen, die zittern und vergehen, dann ist nichts mehr da . . . Sie haben mich

geträumt und ich Sie . . . und mein Traun: war schön. . . und selbst das Erwachen ohne Qual . . . Dank Ihnen, und wenn Sie jetzt gehen, dann stehen schon draußen andere Träume und warten auf Sie, da suchen Sie sich den schönsten aus, nur tapfer . . . Fräulein Rasmussen ... der ist das Glück . . . das ist schon irgendwie für Sie bereit ..."

Sie drückte ihn: noch einmal die Rechte und verließ rasch das kleine Gemach. Sie hatte Tranen in den Augen. Der alte Husebeck folgte ihr besorgt und bekümmert und fragte gleich auf der Treppe:Um Gottes willen, Fräulein Thomasine, was heißt das alles? Einen Mann wie Erich Bardefleet schickt man doch nicht so nur nichts, dir nichts heim!"

Gewiß tut man's, Herr Husebeck!" Sie atmete auf und breitete unten die Anne aus, der Sonne und den: blauen Himmel entgegen.

Und was geschieht nun weiter?"

Ich warte, Herr Husebeck!"

Auf wen?"

Auf den Richtigen!"

Und wer soll das sein?"

Das weiß ich nicht!" sagte sie und schritt vorwärts, den Blick in die Ferne und ein Lächeln um die Lippen.Aber er­wirb schon kommen!"

Hompomltenschrrze.

Von Franz Dubitzky.

D Hie Welt ist ernster geworden, auch die Komponisten sind

I ernster, geworden. Während wir unter den Tonwerken früherer Jahrhunderte manch lustigem Scherz, mancher durch ein launiges Ereignis angeregten Arbeit begegnen, zeigt sich in unfern Tagen nur selten einmusikalischer Spaß", ein Komponistenscherz, und dann zumeist noch als mehr oder minder versteckte Bosheit, als Spott über Kritiker und Welt. So rächt sich Z. V. Max Reger für die abfälligen Worte, die seinem Schaffen zuteil wurden, in seiner Violinsonate O-äur (op. 72 ), indem er die Tonfolge n-k-1-6 und 8(-68)-e-ü-n-k dem Publikum oftmals vor Ohren bringt. Das ist ein Scherz, den man dem Tondichter nicht verübeln darf, der aber die böse Welt kaum bessern dürfte. Eine ältereKomponisten­rache" finden wir imDon Juan". Im Zweiten Finale daselbst erklingt als Tafelmusik zuerst eine Weise Sartis, dann folgt eine Melodie Martinis. Den seichten Opern Sartis und Martinis war 1786 in Wien ein jubelnder Empfang bereitet worden, während Zu gleicher ZeitFigaros Hochzeit" eine frostige Aufnahme erfahren hatte. Als drittes Stück der Tafel­musik imDon Juan" erscheint die prächtige WeiseDort vergiß leises Fleh'n" aus demFigaro". Durch diesen Scherz wollte Mozart dem Publikum vor Augen führen, welch fadem Getön es sein Ohr geneigt habe. In WagnersMeistersingern" begegnen wir ebenfalls einerVerspottung", und Zwar einer Ver­spottung der unwahren italienischen Heldenvper, wie wir sie im Anfang des vorigen Jahrhunderts antreffen: Rossinis stolz und mutig daherschreitende ArieDL tnnti pnlpiti" ausTankred" wandelt Richard Wagner im dritten Akt derMeistersinger" durch eine geringe rhythmische Verschiebung in einen Schneiderchor um und weist hierdurch auf dieFadenscheinigkeit" des Heldenmutes, des Heldensanges imTankred" und seinen Zeitgenossen hin.

Ein in früheren Jahrhunderten recht häufig geübter Scherz bestand darin, den Kanonkompositionen humorvolle oder eigen­artige Texte Zu geben. Derartige streng und ernst geführte Tonfolgen gewannen durch die Verbindung mit launigem und leicht beschwingtem Text mitunter ein recht sonderbares Aus­sehen. Ein Kanon Haydns, der die ÜberschriftHerr Gänse­witz zu seinem Kammerdiener" trägt, bringt als Text:

Befehle doch, draußen still zu schweigen,

Ich muß jetzt meinen Namen schreiben."

In einem andern Kanon dieses Meisters sind die Verse vertont:

Lange lauern und nichts erwischen,

Hungrig sitzen an leeren Tischen Und verliebt sein bei lahmen Füßen,

Sind drei Dinge zum Erschießen!"

Wieder ein andermal lautet der Text:

Kaum fühl' ich die Flammen des Tages erglühen,

So fahr' ich zum Keller hinein. Was meint ihr?

Ich wollte der Glut mich entziehen?

Ich lösche die Flammen mit Wein!"

Den ähnlichen Gedanken erblicken wir in dem Kanon:

Ob ich morgen leben werde, weiß ich freilich nicht,

Aber, wenn ich morgen lebe, daß ich morgen trinken werde, Weiß ich ganz gewiß."

Ein andermal ersinnt Haydn einen Kanon über den Text:

Es sagen Ja die Blicke, doch ihre Worte Nein!

Ja, Nein: dies pflegt bei Mädchen immer vermischt zu sein."

Eine Reihe Kanons des gleichen Tondichters führt den Titel:Die zehn Gebote der Kunst". Diese Gebote sind auch heute noch nicht verjährt, das erste Gebot (erster Kanon) lautet: Du sollst dich ganz der Kunst weih'n". Fünfter Kanon: Du sollst begeistert, nicht toll sein, nicht toll sein!" Sechster Kanon:Bombast und Schwulst sollst du meiden, nicht leeren Zierat vergeuden!" Siebentes Gebot:Du sollst nicht stehlen, nicht stehlen!"

Mozart wählte sich für seine Kanons Texte, die einen ge­mütlichen Ton zeigen, uns modernen Übermenschen jedoch ziemlich simpel erscheinen. Indes man kann nicht immer Genie" sein, nicht unaufhörlich auf höchsten Höhen wandeln. Einer dieser Kanons bringt zum Beispiel diedramatische" Szene:Grechtelts enk (Macht euch bereit), grechtelts

enk, wir gehn im Prater. Im Prater? Jzt laß nach, i laß mi nöt stimma (zum Narren halten). Ei beileib. Ei ja wohl. Mi bringst nöt außi. Was blauscht der? Jzt halt's Maul, i gib d'r a Tetschen." Ein anderer Kanon des Schöpfers derZauberflöte" hat den Text:Dona nox, bist a rechter Ochs; bona notte, liebe Lotte; donna nult, pfui, pfui; Zooä inZllü heut müsst ma no weit", usw. Bei Beethoven finden wir einen Kanon über den Mahnruf:Höfmann, Höf-