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mann, sei ja kein Höfmann!" Ein andermal: „Tobias*),
paternostergäßlicher, bierhäuslicher, musikalischer Philister!" Ferner: „Bester Herr Graf, Sie sind ein Schaf!"
Auch die hochehrwürdige Form der Fuge diente hin und wieder zu Scherzen. So komponierte Domenico Scarlatti (1685—1757) eine „Katzen"fuge, deren seltsames, in aufsteigender Tonfolge sich bewegendes Thema: 8'b-68-Ü8-d-ei8 ihm eine über die Tasten des Klaviers laufende und
diese „Melodei" improvisierende Katze gegeben hatte. Da
wir eben im Tierreich weilen, bemerke ich gleich, daß
dieses Gebiet zu vielen musikalischen Scherzen Anlaß gegeben hat. Rameau (1683—1764) komponierte ein „I.a ?oule^ (Die Henne) betiteltes Klavierstück; Jannequin, ein be
deutender Kontrapunktist des sechzehnten Jahrhunderts, schrieb ein Chanson für vier Stimmen „l^e ellant Ü68
oi86aux", ferner die Werke „Oa ella886 au Imvra" (Die Hasenjagd), „Ta e1w886 au emE (Die Hirschjagd). Sehr beliebt war seinerzeit die „Vogelkantate" Johanna Matthieux', der späteren Gattin Gottfried Kinkels. Eine nicht nur bezüglich der Tiermalerei „sonderbare" Komposition schuf ein Komponist des vorigen Jahrhunderts namens Bohdanowicz, und zwar eine „Sinfonie ohne Text für acht Stimmen: 2 Sopran, 2 Alt, 2 Tenor, 2 Baß mit drey accomp. Biolin- cellen und einem Baß". Das Werk besteht aus drei Sätzen, über die der Komponist folgende Angaben bringt: „Das
erste Allegro wird rasch, doch mit allen Graden piano und tone abgesungen. Das Andante exprimiert das Hühner- geschrey, die Stimme des Kuckgucks und imitiert den Baumhacker (einen Waldvogel). Das letzte Allegro, betitelt die Jagd, charakterisiert das Geschrey der Jäger, Gebell der Hunde usw. Bei dem Andante teilt sich der Chor in drep Abteilungen, nämlich: ,?art6 vmibilo, primo e 86eonäo Ledosi" Ein nicht übler Scherz ist auch des bereits erwähnten Jannequin Komposition „Ta eaguat ä68 tömm68" (Das Geschwätz der Frauen).
Nun zu einigen andersgearteten Komponistenscherzen. Im Sommer 1772 weilte Fürst Esterhazy, begleitet von seiner Hauskapelle, deren Dirigent Haydn war, wie alljährlich, fern der Stadt auf seinem Schloß am Neusiedlersee. Sechs Monate waren bereits verstrichen, und ein jeder der Musiker sehnte sich heim nach Frau und Kind. Da kam vom Fürsten die niederschmetternde Nachricht, daß man noch zwei Monate bleiben werde. Wie sollte man den Fürsten umstimmen? Auf Haydn richtete sich aller Hoffnung. Und Haydn half. An einem der folgenden Abende führte er dem Fürsten eine neue Sinfonie vor. In deren letztem Satz setzte ein Musiker nach dem andern mit dem Spiel aus, packte sein Instrument ein, blies die Lichter aus und verschwand vom Podium: endlich saßen nur noch zwei Geiger am Pult, leiser und leiser spielend, führten sie das Werk zu Ende, dann entfernten auch sie sich. Als der Dirigent Haydn nun ebenfalls den Saal verlassen wollte, trat der Fürst auf ihn zu und sagte: „Haydn, ich habe es verstanden, morgen können die Herren reisen." Das Werk Haydns hat dann den Namen „Abschiedssinfonie" erhalten.
Uw die Mylords und Ladies aus dem Schlummer zu rütteln, der sich bei ihnen während einer Konzertaufführung manchmal einstellte, setzte Haydn in das Andante einer seiner Sinfonien einen gänzlich unerwarteten Paukenschlag. „Da werden die Weiber aufspringen!" meinte der Komponist, den Schalk im Nacken, und der Erfolg war außerordentlich. Die Engländer tauften die Sinfonie „Tlm 8u:pri86(Die Überraschung), heutigentags ist sie als „Sinfonie mit dem Paukenschlag" allgemein bekannt. Einen musikalischen Scherz stellt die „Kindersinfonie" dieses Meisters dar, in der die Zusammenstellung: Kuckuck, Trompete, Trommel, Wachtel, Pfeife, Triangel, zwei Violinen und Baß ein gar humorvolles Bild gibt. Den Werken Haydns sind zum Teil eigentümliche Namen verliehen worden, von seinen Orchester- und Kammermusikwerken führe ich in dieser Beziehung an: „Der Philosoph", „T'our^ (Der Bär), „Ta Toula", „Der verliebte Schulmeister",
Tobias Haslinger, Verleger Beethovens, wohn'.e in der Paternostergasse.
„Die Zerstreute", „Mann und Weib", „Vogelquartett", „Lerchenquartett", „Reiterquartett", „Froschquartett", „Sonnenquartett", „Rasiermesserquartett" usw. Um einen Geiger von seiner Vorliebe für die höchsten Töne seines Instruments zu heilen, schrieb Haydn eine Violinsonate, die anfänglich ganz passabel und gut spielbar einsetzt, im weiteren Verlauf jedoch ständig in höhere Regionen steigt und schließlich kaum greifbare höchste Töne aufweist; das Werk nannte der Meister „Jakobs Traun:", mit dem hohen Ausstieg wollte er die „Himmelsleiter" kennzeichnen.
Ebenfalls einem äußern Anstoß verdankt Mozarts komisches „Bandlterzett" seine Entstehung. Mozart hatte seiner Frau ein neues Band geschenkt, das eines Tages, als man sich zu einer Spazierfahrt mit van Swieten, einem Freund des Hauses, rüstete, nicht auffindbar war. „Liebes Mandl, wo ist's Bandl?" klagte Konstanze. Nach langem vergeblichen Suchen fand van Swieten das Prunkstück, wollte es nun jedoch nicht ausliefern; erst als nach vielem Hin und Her wütend der Hund van Swieten in die Beine fuhr, fand der Scherz ein Ende. Diese Szene eigne sich vortrefflich für ein komisches Terzett, äußerte darauf van Swieten, und Mozart folgte dem Rat. — In einem „Musikalischer Spaß" betitelten Werk für Saitenquartett und zwei Hörner macht sich Mozart über die ungeschickten Musiker und die Stümper in der Komposition lustig. An einer Solostelle blasen die Hörner lauter falsche Töne, an einer andern Stelle greift der erste Geiger beständig einen halben Ton zu hoch, am Schluß des Stückes hat ein jeder seine eigene Tonart, Hörner: T-äur, erste Violine: 6-äur, zweite Violine: ^-äur, Viola: Tellur, Baß: L-äur (ein recht „wohlklingender Schlußakkord). Meisterhaft trifft Mozart ebendaselbst den Ton des „ungeschickten Kompositeurs", und trotzdem interessiert das ziemlich lange Stück von Anfang bis zu Ende.
Ebenso wie gewöhnliche Sterbliche oft durch Geringfügigkeiten aus dem Gleichgewicht gebracht werden, hingegen einem wirklichen Mißgeschick gegenüber ruhig bleiben, so ergeht es auch den Großen. Über einen nicht auffindbaren Groschen ärgerte sich Meister Beethoven einmal derartig, daß er seinen: Groll in einem Rondo für Klavier Luft machte, das Stück betitelte er dann „Die Wut über den verlornen Groschen, ausgetobt in einer Caprice".
Gegen die Philister erhebt Robert Schumann im Schlußsatz seines „Carnaval" (für Klavier) seine Stimme, humorvoll und recht deutlich sprechend, verwendet er in diesem die Überschrift „Marsch der Davidsbündler gegen die Philister" tragenden Satz den Großvatertanz „Und als der Großvater die Großmutter nahm". Einen eigenartigen Scherz machte sich Berlioz mit den „Philistern". Berlioz bekam von der Kritik oft zu hören, daß er nur mit Hilfe eines großen Orchester- und Stimmenapparates größere Wirkungen hervorzubringen imstande sei und bei Verzicht auf äußere Klangeffekte schmählich langweilen werde. Darauf komponierte der also Angegriffene „Die Flucht nach Ägypten", ein Werk, das nur ein bescheidenes Orchester beansprucht. Berlioz hielt bei der Niederschrift den älteren Stil inne und bezeichnte das Werk öffentlich als eine von ihn: aufgefundene Arbeit eines längst verschollenen Musikers aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts namens Pierre Ducrö. Die Komposition errang einen vollen Erfolg und bot den Gegnern Berlioz' wiederum reichlich Gelegenheit, einen Vergleich zwischen der Einfachheit und doch Bedeutsamkeit des Ducröschen Werkes und den eine ungeheure Orchesterschar verlangenden Tonstücken des Herrn Hector Berlioz zu ziehen. Dergleichen, wie Ducrö in der „Flucht nach Ägypten" geboten habe, werde Berlioz niemals gelingen — so schlossen die Kritiken. Nun verkündete Berlioz seine Autorschaft und weidete sich an den: gründlichen Reinfall der weisen Herren.
In älteren Zeiten schlug man „derbere" Töne an, wenn es sich um Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Gehörs handelte; so finde ich folgenden freundlichen Titel bei einem Buch von: Jahr 1728: „Ein paar derbe
musikalisch patriotische Ohrfeigen den: nichts weniger als musikalischen Patrioten und nichts weniger als patriotischen
1906. Nr. 39.