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Musiko, 8 alv. venia Herrn Mattheson*), welcher zum neuen Jahr eine Probe seiner gewöhnlichen Kalmnniantenstreiche unverschämterweise an den Tag gelegt hat, zur Wiederherstellung seines verlornen Gehörs und Verstandes und zur Bezeigung schuldiger Dankbarkeit auf beide Backen in einem zufälligen Diskurs wohlmeinend erteilt von Zwei brauchbaren Virtuosen, Musikandern und Harmonio." Ein sehr liebenswürdiger Ton! Welche Tonart würden die beiden „brauchbaren Virtuosen", Musikander und Harmonius aber wohl angeschlagen haben, wenn sie Enrico Bossis jüngst erschienenen Scherz „Satire mu 8 ieali per pmnotorw" erblickt Hütten! In diesem Stück „belächelt" der Komponist alles, was Regel ist. Hier läßt er die Melodie nur aus Ganztönen sich bilden, dort bringt er ein Duett, dessen Stimmen stets in Nonen dahinschreiten, ein anderer Teil bringt konsequent Ouintengänge; ein Gesangssatz „O-ckur" tummelt sich in allen möglichen Tonarten und endet im entlegensten bä 8 -äur; den Schluß des Werkes macht ein Allegretto, in dem
*) Sehr verdienter Musikschriftsteller und Komponist, 1681—1764.
die rechte Hand 4^-äur, die linke Hand ^ 8 -äur spielt — und dennoch, 's ist gar nicht so schlimm, Bossis interessanter Scherz klingt durchaus nicht übel.
Einige weitere Komponistenscherze will ich noch kurz erwähnen. Stephen Heller betitelte eine seiner Etüden „I^a To^ou"; er vertont darin in ergötzlicher Weise eine Klavierunterrichtsstunde. Max Reger komponierte eine Burleske (für Klavier) über den „lieben Augustin". Johann Sebastian Bach schrieb eine amüsante „Kaffeekantate". Anton Rubinstein ersann eine „Etüde über falsche Noten". Jacques - Dalcroze brachte eine „?o 1 I(a 6 nllarm 0 viqn 6 pour ?iauo", in der mit Kreuz- und d-Tonart fast in jedem Takt gewechselt wird. Otto Neitzel komponierte eine „Austerngavotte". Johann Strauß schrieb einen Scherz „Perpetuum mobile", ein Stück ohne Ende, das immer wieder zum Anfang zurückkehrt. Unter Chopins Mazur- ken befindet sich ebenfalls ein Stück „ 8 en 2 a üne" (op. 6 , Nr. 5).
Damit der verehrte Leser nicht sagt, auch meine Abhandlung sei — „ 86 N 3 a üne", lasse ich es hiermit genug sein an der Aufzählung von „Komponistenscherzen".
Blätter und Blüten.
I^rmz-IlegenL Alörccht von Araurrschiveig. (Zu der nebenstehenden Abbildung.) Prinz Albrecht von Preußen, der Regent von Braunschweig, ist am 13. September in seinem Schloß Kamenz einen: Schlaganfall erlegen und im dortigen Mausoleum feierlich beigesetzt worden. Über zwei Jahrzehnte lang hat er an Stelle des wirklichen Agnaten, des Herzogs von Cumberland, das Land regiert, er wurde am 21. Oktober 1885 auf Vorschlag des Regentschastsrats einstimmig gewählt. Prinz Albrecht war ein Enkel Friedrich Wilhelms III. und ein Neffe Kaiser Wilhelms I.; er wurde am 8. Mai 1837 geboren, stand also bei feinem Ableben im 70. Jahre. Wie die meisten preußischen Prinzen, trat er mit dem 10. Lebensjahr als Leutnant beim 1. Garderegiment zu Fuß in die Armee, wurde 1861 zum Obersten ernannt und vier Jahre später zum Generalmajor befördert. Bei Ausbruch des Krieges von 1866 erhielt er das Kommando der ersten schweren Kavalleriebrigade der Zweiten Armee, und 1870 nahm er, zum Generalleutnant ernannt, als Kommandeur der zweiten Kavalleriebrigade an der: Schlachten von Gravelotte-St. Privat und Sedan und an der Belagerung vor: Paris teil. Schließlich war er, als Führer der dritten Neservedivision, auch an den Kämpfen von Amiens beteiligt. Drei Jahre nach dem Dentsch- französischen Krieg wnrde Prinz Albrecht zum Kommandierenden General ernannt und mit der Führung des X. hannoverschen Korps betraut, 1875 wurde er General der Kavallerie. Der Tod des Prinzen ist von großer politischer Bedeutung, da die „braunschweigische Frage" nun von neuem brennend geworden ist. Vorläufig ist, nach den Satzungen des Regentschaftsgesetzes vom 16. Februar 1879, der aus drei stimmsührenden Mitgliedern des Staatsministeriums und den Präsidenten des Landtages und des Oberlandesgerichts gebildete Regentschaftsrat eingejetzt, während die Wahl des Nachfolgers von: Landtag zu vollziehen ist.
Iwan der Schreckliche an der Leiche feines Sohnes. (Zudem Bild Seite 817.) Unter den russischen Selbstherrschern hat Iwan
Wasihewitsch der Schreckliche (1533—1584) mit den römischen Cäsaren in unmenschlichen Gewalttaten gewetteifert. Die aufsässigen Städte, deren Freiheitssinn ihn aufbrachte, geißelte er mit „Skorpionen". In dem besiegten Nowgorod mordete er 60 000 Menschen; in gleicher Weise wütete er in Twer und Moskau. Wenn er in den „Strelitzen" die russische Infanterie schuf, gegen deren Rebellion später der große Zar Peter mit einer Grausamkeit einschritt, die an seinen „schrecklichen" Vorgänger sehr lebhaft erinnerte, so umgab er sich außerdem mit
einer Leibwache, die ein Werkzeug seiner despotischen Launen war. Diese Leibwache bezahlte er mit den Einkünften, die ihm ein gesonderter Teil des Reiches gab, den er für sich persönlich in Anspruch nahm und zu den: zwanzig größere Städte gehörten. Von seinem cholerischen Temperament ließ er sich, wie seine großer: Nachfolger, zu persönlicher Gewalttat Hinreißen, und so erschlug er seinen eigenen ältesten Sohn Iwan, als dieser ihm trotzig gegenübertrat. Zar Peter hat später seinen Sohn Alexej zum Tode verurteilt. Der schreckliche Iwan machte kürzeren Prozeß. Daß er seine rasche Tat bereut hat, wollen wir dem Maler B. G. Schwartz glauben, der uns den gebeugten Zaren an der Leiche seines Sohnes zeigt. Viele russischen Dramatiker und Romanschriftsteller, vor allem Graf Alexej Tolsioj, haben den grausamen Herrscher zum Helden ihrer poetischen Schöpfungen gemacht.
Aerdinand Stolle. (Zu der Abbildung auf der nächsten Seite.) Der hundertjährige Geburtstag ruft die Erinnerung an einen namhafter: Volks- schriftsteller zurück, der bei der Gründung unserer „Gartenlaube" deren Herausgeber Ernst Keil hilfreich zur Seite stand. Stolle war am 28. September 1806in Dresden geboren, studierte in Leipzig die Rechte, widmete sich danr: der schriftstellerischer:
Laufbahn mit reger Schaffenslust, derer:
Erfolge in einer Gesamtausgabe von 30 Bänden und einer- neuen Folge von 12 Bänden vorliegen.
JhrenHauptbestand- teil bilden historische Romane, deren Stoffe der Nenzen angehören und in denen meistens Napoleon der bevorzugte Held war; wir erwähnen „1813",
„Napoleon in Ägypten", „Elba und Waterloo", „Der neue Cäsar". Der Kultus Napoleons, der ir: der Nornau- literatur jener Tage die ersrigste Pflege fand, wie auch Rell- stabs„1812"beweist, Trauergottesdienst in der Kirche zu Kamenz. hing wohl damit zu- Trauerfeier für den Prinz-Negenten Albrecht. sammen, daß die Bedeutung Napoleons in der auf seinen Sturz folgenden Zeit, gegenüber der Bedeutungslosigkeit der Männer, die damals die Staatsgeschäfte leiteten, noch mehr hervortrat. Die Phantasie der Romanschriftsteller brauchte
Prinz-Negent Albrecht von Braunschweig -ft
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