Heft 
(1906) 39
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einen Männergesangverein gegründet haben, um auch fern der Heimat das deutsche Lied pflegen zu können. Die Darbietungen des Vereins haben die Aufmerksamkeit weiter Kreist erregt, und auch Nichtdeutsche hatten ihre Freude an den musterhaft durchgeführten Gesängen, als sie aus die Einladung des Vereins zu seinem Sommerfest, am diesjährigen Sedantag, erschienen waren. An 400 Zuhörer halten sich eingefunden mit dem deutschen Konsul Herrn Or. Gumprecht an der Spitze.

Mit wehmütiger Innigkeit und wunder­voller Tonfärbung zogen die lieben alten Klänge über die blühenden Rosenfelder und das Kassavenwäldchen hin, und auch der Humor kam nach der deutschen Sentimentalität zu seinem Recht: die fidele Alpnertruppe der bayrischen Mit­glieder tanzte vor einer naturgetreuen Älmhütte juchzend Schuhplattler, und ulkhafte Schaubuden aller Art, Spiele und Wettkämpfe, Nundgesänge und prächtige Jodlerinnen, Illumination und Tanz sorgten für gute Stimmung und einen fröhlichen Verlauf des schönen Festes. Es war ein echtes rechtes deutsches Volksfest, das auf dem uralten ägyptischen Boden sich abspielte, und daß ein herzliches Einvernehmen Deutsche,

Österreicher und Schweizer vereinte, war das Allerschönste daran. Der lichte Tropenhimmel spannte sich über einem Stück Heimat aus und die Sykomoren rauschten Träume der Ewigkeit über dem bunten vergänglichen Bild.

Winanonaötüten. (Zu der neben­stehenden Abbildung.) Wer hat unter dem bescheidenen Blumenschatz der nach guter deutscher Sitte im Bürgerhaus gehegten Pflanzen, wohl nicht von Kind­heit an seine Lieblinge gehabt? Und wenn die Calla, wie es der Fall zu sein pflegt, nicht darunter fehlte, wer hätte nicht früh schon sich an ihrem edlen Bau, ihrem reinen, so keusch anmutenden Weiß entzückt? Aber eine ganze Wiese voll, ja unab­sehbare Strecken von Arazeen zu schauen, das ist wenigen Sprößlingen des deutschen Bürgerhauses vergönnt. Wem dieses Glück in den tropischen oder subtropischen Heimatfluren der Arazeen zuteil geworden ist, der vergißt den Eindruck ebensowenig, wie er das Bild der einzelnen Calla am Fenster neben dem Nähtisch seiner Mutter vergaß. Eine der poetisch reizvollsten Landstriche des mittleren Amerika sind die von Vullanen gesäumten Hochländer Mexikos. Man glaubt es zunächst nicht, weil man auch starke Eindrücke der Öde empfängt; wer sich aber in die Reize der Landschaft

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Pinanonablüte.

innig vertieft, der wird auf eine schier unerschöpfliche Schönheitsfüll stoßen. So bietet gerade die Umgebung der Hauptstadt in den heut fast zu Sümpfen gewordenen Wasserbecken und Kanälen der unter

gegangenen Aztekenkultur Landschafts bilder, die jeden Maler begeistern müßte: und die mit der lauschigen Einsamkei ihrer Wasserläufe und der Fülle ihre Blumen lebhaft an ähnliche Szenerien ü Siam oder Japan erinnern, ja, in ge wisser Weise auch an Spreewald- ode Niederungslandschasten der Unterelbc Dort finden wir auch jene Pinanona familien, die, namentlich wenn de Vollmond sein bleiches Licht über si ausgießt, uns in ein Märchenland ver setzen, das wir mit Shakespearesche Phantasie durch Elfen und Wasfergeiste beleben möchten.

Der Hoethe-Nrurmen m Franzens

öad. (Zu der untenstehenden Abbildung. Am 9. September ist in Franzensbad zur Erinnerung an Goethes Besuche ein Goethe-Brunnen feierlich enthüll worden. Es liegt eine lyrische Stimmum über diesem Monument, einer Schöpsuu von Karl Wilfert d. I., ein Poetische Hauch, der den Beschauer gefange: nimmt. Der mächtige eindrucksvoll Bronzekopf des sechzigjährigen Goethe ij in den Mittelteil des Denkmals ein gelassen, darunter ergießen sich zwei fein Wasserstrahlen in das vorgelagert Sammelbecken. Zwei große Marmor bilder,Wahrheit" undSchönheit", er heben sich zu beiden Seiten, während i: die abschließende Granitwand nocl Symbolisierungen vonLyrik" un, Drama" eingelassen sind. Die beide: nackten Gestalten aus karrarischen Marmor, die die Wahrheit und Schönhei verkörpern, links der vom Born de Wahrheit trinkende Jüngling, rechts di klassisch schöne Frauengestalt. Die sinm volle Gliederung der Architektur und di prächtige Abtönung des gelblichen Granits, der dunkel: Bronze und des leuchtenden Marmors sind von wunder­barer Wirkung, von der unser Bild nur einen schwachen Begriff gebe: kann. Aus Anlaß der Enthüllung des hier besprochenen Goethe-Denk mals ist auch eine Goethe-Festschrift erschienen, in der di verschiedenen Goethe-Erinnerungen der Franzensbader Gegend Ansichten von Franzensbad aus jener Zeit und Goethes ^ eigene Aufzeichnungen über seine dort gemachten geologstche:

Studien us:v. enthalten sind. Auch ein paar wenig bekannt Goethe-Bildnisse und der Kopf der von Goethe so ausgezeich neten Sylvia von Ziegesar schmücken die stattliche Festschrift

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Der Goethe-Brunnen in Franzensbad.

Ausgesührt von K. Wilfert d. I.

Druck und Verlag Ernst Keil's Nachsolaer G.m. b.H. in Leipzig. Verantwortlicher Redakteur: vr. Hermann Tischler; für den Anzeigenteil verantwortlich Franz Boerner. beide in Berlin. In Österreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: B. Wirth in Wien.

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