eigentlichste Legitimation hin nicht allzu streng angesehen zu werden. ( Aus der Großstadt, Hervorhebungen von Fontane, II, 228—229)
Die Bereitschaft Fontanes, die Suche nach Neuem mit Rücksicht auf notwendige Experimente „nicht allzu streng anzusehen“, bezieht sich indes nur auf Lustspiele und auf „Gesellschaftsstücke“: das gemeinsame Ziel der „Unterhaltlichkeit“ entschuldigt auch die gemeinsamen (Irr-)Wege. Dennoch ergreift ihn bereits hier ein Gefühl der „Unbehaglichkeit“ angesichts der stereotypen Wiederkehr derselben „Mache“, die ihm Zeichen der zeitgenössischen Dekadenz ist: „Wir stecken bereits tief in der Decadence; das Sensationelle gilt, und nur einem strömt die Menge noch begeisterter zu, dem baren Unsinn.“ (H. Bürger Gabriele, 1878, I, 653)
d) Deutsche Tragödien: Ernst von Wildenbruch
Auf dem Gebiet des Trauerspiels dagegen wird für Fontane das künstlerisch Zulässige überschritten. Die Tragödie muß in stärkerem Maß als die anderen Gattungen des Dramas den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit entsprechen: „Das Ganze (muß) gesund, klar, verständlich sein.“ (II, 196) Bedingungen hierzu sind „mögliche“, das heißt vorstellbare und „interessante“ Situationen, in denen sich psychologisch wahrscheinliche und ethisch annehmbare Menschen mit „echten“ Gefühlen befinden. 12 Tatsächlich sind diese Bedingungen in den am Königlichen Schauspielhaus gespielten Tragödien vernachlässigt, ja, werden geradezu mißachtet. Hier offenbart sich am krassesten das „Wertvakuum“, das Hermann Broch an der gesamten Kunst dieser Zeit beklagt . a Fontane emfindet es als Verlust des gesunden Menschenverstandes, von dem in erster Linie die in repräsentativen Kreisen herrschende Modeauffassung betroffen ist. 14 Die neue modische Tendenz vertritt nach Fontane exemplarisch der dramatische Stern der achtziger Jahre, Ernst von Wildenbruch, der 1884 mit dem Schillerpreis ausgezeichnet wurde. Gegen das von Wildenbruch „inszenierte“ Gemisch von falschen, „uninteressanten“ Situationen, unglaubwürdigen Menschen, die falschen Gefühlen verfallen sind, gegen die „Gewaltsam- und Willkürlichkeiten“, in denen Wildenbruch ein Meister ist (II, 260), wendet sich Fontane in einem Wildenbruch effektvoll parodierenden, ebenso pathetisch überladenen Stil. Schon die übersteigerte Begeisterung seines Publikums deutet Fontane im Bild des Lorbeerkranzes an:
(...) der „Fürst von Verona“ reichte seinem Dichter einen neuen Lorbeerkranz, größer als alle früheren, die doch auch schon den jetzt üblichen Wagenradscharakter hatten. Ob die Kritik an diesem Riesenlorbeerkranz mitflechten wird, ist mir zweifelhaft, jedenfalls wird viel Stechpalme mit eingeflochten werden. (II, 460)
Die „Stechpalme“ Fontanes bezieht sich ähnlich wie bei Bürger auf die Situationen und die dargestellten Charaktere. Die Stücke Wildenbruchs sind, wie Fontane 1882 bei einer Besprechung des Harold zugibt, „eminent wirkungsvoll“. Wie bei Bürger wird auch hier die Wirkung durch psychologisch unwahrscheinliche, rührende Situationen erzielt. So bemängelt Fontane, daß eine mittelalterliche Auseinandersetzung