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für den berühmten Bildhairer Rafael Donner, eine Schöpfung des Bildhauers Richard Kauffnngen. Es zeigt auf dunkel rotbraunem Granitsockel die überlebensgroße Bronzefigur des alten Wiener Meisters in bewegter Haltung, an feinem berühmtesten und populärsten Werk, dem Neumarktbrunnen, arbeitend. Als jener Brunnen, jetzt der Stolz der alten Kaiserstadt, am 4 . November 1739 feiner Bestimmung übergeben wurde, waren die Wiener allerdings weit davon entfernt, die hohe Schönheit dieses Werkes zu erkennen. Dem an französische Vorbilder gewöhnten Publikum sagten die edle Einfachheit und Formenklarheil Donnerscher Kunst nichts, und die
Denkmal für Nafael Donner in Wien.
Ausgesührt von Richard Kauffungen.
Prüderie jener Zeit nahm Anstoß an der unverhüllten Nacktheit der Brunnenfiguren. Diese Abneigung wuchs mit den Jahren, bis sie es schließlich dahin brachte, daß die umstrittenen Figuren im Jahr 1770 im Schuppen des bürgerlichen Zeughauses verschwinden mußten. Erst 1801 wurden sie hervorgeholt und wieder auf dem Donnerbrunnen aufgestellt, und langsam brach sich dann die Erkenntnis Bahn, daß das schönste deutsche Brunnenwerk des achtzehnten Jahrhunderts mit knapper Not dem — Schmelztiegel entgangen war, für den man die Figuren schon bestimmt hatte. Die Stadt Wien hat eine Ehrenpflicht erfüllt, in- ^ dem sie jetzt dem Mann ein Denkmal setzen ließ, der eine verweichlichte und theatralisch gewordene Kunst zurückführte zu den Lebensquellen der Natur und zu der Schönheit der Antike, die Rafael Donner ahnte und begriff, ohne sie zu kennen.
Kernrich Kerbet. (Mit dem nebenstehenden Bildnis.) Eine schwere Trauernachricht ist es, die in diesen Vorweihnachtstagen aus dem schlichten, blumenumwachsenen Gartenhaus in Groß-Lichterselde bei Berlin in die Weite geht: Heinrich Seidel, der von ungezählten Tausenden von Deutschen, von alt und jung verehrte und geliebte Dichter, ist jäh dahingeschieden. Erschütternd trifft die Nachricht von dem Heimgang des lebensfreudigen Mannes seine weite Gemeinde — doppelt ergreifend darum, weil nun sein Tod in jene Zeit gefallen ist, in der er alljährlich, wie kaum ein anderer, als Schenkender in die Familien getreten ist, als Bringer einer neuen köstlichen Gabe seines stillen dichterischen Schaffens im Lauf des hingegangenen Jahres. Auf so viel glanzumstrahlten Weihnachtstischen sind Heinrich Seidels schmucke kleine Bändchen, seine Gedichte, seine Märchen und die so gern gelesenen Erlebnisse seines ureigensten Helden „Leberecht Hühnchen" alljährlich aufgebaut worden, und wohl jeder, der sich dann in ihrer stillen und humordurchtrünkten Welt erquickte, dachte dabei auch an den Dichter, der das alles schuf, und sah im Geist sein freies, gütiges Gesicht, die blauen Augen, aus denen wohl ein Strahl von jenem Märchenzauber brach, den er in seine Bücher bannte. Nun ist der Dichter tot, und seine Werke sind verwaist und werden in den Hellen Weihnachtstagen, die vor uns liegen, bei aller Freude, die sie bringen mögen, doch auch die Wehmut nicht ganz bannen können! Ein Schaffender ist Heinrich Seidel bis an das Ende seiner Tage gewesen, beinahe bis zu jenem
7. November, der den Vierundsechzigjährigen aus unserer Mitte hinweggenommen hat. Und reich ist die Ernte seines Lebens, die nun vor üns liegt und die vollendet ist und ohne Schlacken. Wieso es ihm beschieden war, niemals vom Wege abzuirren in seinem Dichten? Wieso gerade er mit so bewundernswerter Sicherheit die rechten Pfade schritt? Vielleicht weil er erst als gereister Mann zur Feder griff, in Jahren, die ihm schon die innere Klarheit gegeben halten. Denn über dreißig Jahre war der Maschinenbauer und Ingenieur Heinrich Seidel schon alt, als er zum Schriftsteller wurde. Dann aber entstanden auch in rascher Folge all diese lieblichen Schöpfungen, über denen etwas von Wilhelm Raabes Geist weht: seine „Vorstadtgeschichten", der „Leberecht Hühnchen" mit seinen verschiedenen Nachfolgern, „Jorinde", und viele, viele andere. Jetzt schweigt der Mund, der uns so Schönes und so Freundliches in stillen Stunden zu erzählen wußte, für immer still. Wir aber — unsere Leser und die „Gartenlaube" — wir tragen mit dem Toten einen Mann zu Grabe, der uns durch viele Jahre hin ein Freund, ein treuer Mitarbeiter war. Und wir wollen ihn und sein Werk auch über dieses Grab hinaus in treuer Liebe und in Ehren halten.
Aöer alle KandetsöezreHrmgerr zwischen Japan und Wemko aus dem 17. Jahrhundert berichtet die neueste Nummer des „Globus" nach sehr interessanten Untersuchungen der nordamerikanischen Forscherin Z. Nutlall. Im Jahre 1609 erlitt eine Expedition
des Spaniers Rodrigo de Vivero über die Philippinen nach Mexiko unterwegs an der japanischen Küste Schifsbruch, und während in der ganzen Welt sonst noch das barbarische Standrecht galt, wurden die' Schiffbrüchigen in Japan ausgezeichnet behandelt, ein deutlicher Beweis der schon damals hochentwickelten buddhistischen Kultur. 1610 ging die erste Japanische Expedition nach Mexiko mit 23 japanischen Kaufleuten unter Führung von zwei Edel- leuten, und 1611 wurde dieser Besuch durch Absendnng einer mexikanischen Expedition unter Führung eines offiziellen Gesandten erwidert, der im wesentlichen Handelsinteressen im Auge hatte. Schon damals waren die Japaner im Besitz des Kompasses, und das religiöse wie handelspolitische Verhalten der Japaner stach vorteilhaft von dem unduldsamen Bekehrungseifer und der Habgier der Spanier ab. In den alten Berichten dieser interessanten Geschichte der ersten Beziehungen zwischen Mexiko und Japan sind in dieser Hinsicht recht wertvolle authentische Äußerungen überliefert. In dem amtlichen Briefwechsel zwischen der japanischen und der spanischen Regierung sind die folgenden Äußerungen von japanischer Seite zu finden: „Der Pfad zu allen Tugenden findet sich in der Ausübung von Humanität, Gerechtigkeit, Höflichkeit. Weisheit, und Treue"; ferner die Mahnung an die Spanier: „es sei schwer, jene zu bekehren, die keine Neigung zum Übertritt haben. Es ist daher das beste, wenn ihr mit Bekehrungsversuchen in unserm Land aufhört. Aber ihr könnt die zu uns kommenden Handelsschiffe vermehren und so die gegenseitigen Interessen und Beziehungen verbessern. Alle eure Schiffe, ohne Ausnahme, können unsere Häfen besuchen." So dachte und handelte das „Land der ausgehenden Sonne" bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts, zu der Zeit, als in der Alten Welt gegen Galilei die ersten Jnquisitionsprozeffe stattfanden. A. M.
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Druck und Verlag Ernst Keil's Nachfolger G. m. b.H.in Leipzig. Verantwortlicher Redakteur: vr. Hermann Tischler; für den Anzeigenteil verantwortlich Franz Boerner, beide in Berlin. — In Österreich-Ungarn für Herausgabe und Redaktion verantwortlich: B. Wirth; für den Anzeigenteil verantwortlich
I. Rafael beide in Wien. — Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.