Aus diesen beiden exemplarischen Charakterbildern spricht neben dem kontrastreichen Wesen das für Fontane so wichtige Element des Humorvollen, der Liebenswürdigkeit, die diese Menschen in sich tragen — wie auch Hedwig in der Wildente, die sich „nach einem Lichtblick des Lebens, nach Lachen und Liebe sehnt“ (II, 696). In den Werken Ibsens hat der Humor nicht primär die Funktion der „poetischen Verklärung“ einer sonst unerträglichen Wirklichkeit 28 , er ist vielmehr gleichsam künstlerisches Kontrastmittel, das die Negativität der in Konventionen befangenen Situation nur umso deutlicher hervortreten läßt. — Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß auch für Fontane der Kontrast eine bestimmte Bedeutung als künstlerisches Ausdrucksmittel des Theaters (im Lustspiel, im Gesellschaftsstück und in der Tragödie) hat. Auch in seinem Romanwerk hat die Kontrastierung eine Schlüsselfunktion. Sie ist z. B. in dem zur Zeit der eingehendsten Auseinandersetzung mit Ibsen entstehenden Roman Frau Jenny Treibei (1888—1891) sowohl Stilmittel zur Charakterisierung der Personen (die lebenstüchtige und karrieresüchtige, ihrem Anschein zum Trotz unsentimentale Jenny als Kontrastfigur zu dem gebildeten, aber unambitiösen Professor Willibald Schmidt und gleichzeitig zu dem arrivierten, an Lebenstüchtigkeit indes nicht an sie heranreichenden Kommerzienrat Treibei einerseits, und Schmidts anziehende, klugkulturvolle Tochter Corinna im Kontrast zu Jenny und dem ihr geistig und charakterlich unterlegenen Sohn Jennys, Leopold, andererseits), als auch strukturtragendes Element. So sind die zentralen Szenen kontrastierend, angelegt. Während des Ausflugs nach Hasensee beteuert Jenny sentimental, als sie sich mit Willibald von der Gesellschaft entfernt, daß sie „in einfacheren Verhältnissen und als Gattin eines in der Welt der Ideen und vor allem auch der Idealen stehenden Mannes wahrscheinlich glücklicher geworden wäre“ 29 , während sich gleichzeitig Corinna, ebenfalls in einem trauten „tete ä tete“ mit Leopold verlobt und somit den Anstoß zur Entlarvung von Jennys wahrer Gesinnung gibt. Darüber hinaus sind auch hier die Personen kontrastreich angelegt: Jenny hat neben ihren geschäftstüchtigen und sentimentalen durchaus liebenswerte Züge, und Corinnas Liebenswürdigkeit verblaßt vor der hartnäckigen Starrheit, mit der sie sich Jenny widersetzt, um Leopold, den sie im Grunde nicht achtet, aus letztlich ganz ähnlichen Gesichtspunkten zu erobern, aus denen Jenny sich verheiratet hatte.
Sicher hat die humorvolle Zeichnung dieser Gestalten — wie die Forderung nach liebenswürdigen, humorvollen Menschen in der künstlerischen Darstellung überhaupt bei Fontane — auch die Funktion der „Verklärung“ im herkömmlichen Sinn 30 . Schon früh und immer wieder kann aber in den Theaterkritiken die Forderung nach Humor mit dem künstlerischen Mittel des Kontrastes in Verbindung gebracht werden, der nicht nur als mehr oder weniger indirekt suggeriertes Mittel der technischen Komposition, sondern auch als explizites Kriterium der Theaterkritik eine grundlegende Bedeutung für Fontane hat. Mangel an Kontrasten wirft er ebenso dem „sechsmal geschopenhauerten Pessismus“ des Tiberius von Julius Grosse (1878, I, 647) vor wie den „fünf Schreckensakten“ des Erbförsters von Otto Ludwig (1879, I, 771), dem Zerbrochenen Krug von
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