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Mathilde Möhring.
Roman von Theodor Fontane.
(5. Fortsetzung.)
o ging alles gut in Woldenstein. Nur der Landrat verhielt sich kühl, und es war ganz ersichtlich, daß er weder von der „Jniative", die sein eigenes Licht in den Schatten stellte, sonderlich erbaut war, noch von Hugos Nathanschaft und der Gleichberechtigung der drei Konfessionen. Es kamen Beg egnungen vor, bei denen Hugo „geschnitten" wurde, besonders von der Frau Landrätin, die Tänzerin erst in Agram und dann in Wien gewesen war und sich nun offenbar die Festigung des christlich Germanischen zur Lebensaufgabe gestellt hatte. Hugo war mehr als einmal in bittere Verlegenheit geraten und hatte sich bei seinen Spaziergängen im Garten, die bis in den Spätherbst hinein fortgesetzt wurden, verschiedentlich gegen Thilde darüber ausgesprochen.
„Du verstehst es nicht", sagte Thilde und nahm eine deurre 8ris vom Baum. „Sieh, Hugo, diese deurrs Zrw ist noch hart, und du mußt sie vier Wochen aufs Stroh legen, eh' sie schmeckt; aber 'noch eh' die vier Wochen 'rum sind, habe ich dir den Landrat weich gemacht. Er ist em sehr guter Herr und eigentlich liebenswürdig von Natur, und das müßte nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn er nicht zu bekehren wäre. Wer eine Tänzerin heiratet, hat immer ein weiches Herz."
Hugo seufzte, denn er litt unter der Gegnerschaft und sah kein Ende davon. Aber er hatte Thilde unterschätzt, und die vier Wochen waren noch nicht um und die Birne noch nicht präsentiert, als Hugo Ende November von einer Kreistaas- sitzung heimkam und nicht genug von der Liebenswürdigkeit des Landrats erzählen konnte.
Thilde sagte kein Wort, und Hugo sah erst einigermaßen klar in der Sache, als er am selben Abend Silberstein in der Ressource traf.
„Haben Sie schon gelesen, Herr Großmann?" sagte dieser augenzwinkernd, und als Hugo verneinte, gab er ihm die vorletzte Nummer der Königsberger „Hartungschen Zeitung", die in Woldenstein am meisten gelesen wurde, mit den Worten: „Sehr-
gut geschrieben. Ein feines Artikelchen. Aber er ist es wert. Er ist ein feiner Herr, der Herr Landrat." Und dabei ließ er Hugo mit dem Zeitungsblatt allein.
Hugo schüttelte den Kopf und setzte sich in einen Stuhl neben dem Schanktisch, auf dem sechs, acht Weingläser mit Apfelsinencreme, eine Vaumtorte und kleine Korianderkuchen standen. Er selbst hatte sich schon vorher einen Curaxao geben
lassen, und während er daran nippte, las er die blau angestrichene Stelle:
„Woldenstein, 14. November. In unserm Kreis rührt man sich bereits für die Wahlen, ohne daß eine besonders pressante Benötigung dafür vorläge. Denn die Wahl unseres Landrats v. Dunajewski darf wohl als gesichert angesehen werden, da, soviel wir bisher erfahren konnten, seine politischen Gegner auf Ausstellung eines Gegenkandidaten verzichtet haben. Sowohl die polnisch-katholische wie die fortschrittliche Partei vereinigen sich in Würdigung der hervorragenden Charakter- und Verwaltungseigenschaften des Landrats v. Dunajewski und halten es für ihre Pflicht, selbst auf Kosten ihrer sonstigen politischen Überzeugungen ihrem Vertrauen zu ihm Ausdruck zu geben. Es läßt sich hier von einem Sieg der Persönlichkeit sprechen, der uni so glänzender ist, als das landrätliche Hauswesen eine besondere Anziehung auf das Polentum ausübt. Die feine Sitte, die dem Polentum so viel bedeutet, hat in diesem Hauswesen ihre Stätte. Diese Vorzüge würdigt auch der Fortschritt trotz gesellschaftlichen Draußenstehens vollauf, weil der vorherrschende Ton nicht nur ein Ton der Vornehmheit, sondern beinah mehr noch der schönsten Humanität ist. Frau v. Dunajewski hat einen Krippenverein gegründet, zu dem auch die dritte Konfession beigesteuert hat, und die Tätigkeit dieses Vereins wird am Weihnachtsabend Freude in die Hütten der Armut tragen. Über alle großen Fragen hinaus bedarf unser Kreis vor allen Dingen einer Sekundärbahn, um endlich bequeme Verbindung mit der Weichsel zu haben, eine Sache, darin alle Parteien einig sind. Und diese Bahn uns zu sichern, ist Landrat v. Dunajewski geeigneter als jeder andere, da seine Beziehungen zum Hof bekannt sind. Adel, wenn er die Zeit begreift und auf Exklusivität verzichtet, ist immer die beste Lokalvertretung."
Hugo legte das Blatt aus der Hand und nahm einen Korianderkuchen. Also daher! Er hält mich für den Verfasser. Natürlich, da in Woldenstein nur drei Menschen in Betracht kommen können: Silberstein, der katholische Lehrer und ich. Und da es Silberstein und der Lehrer aus inneren Gründen nicht sein können, so bin ich es . . .
Er erhob sich und sah in den Saal nebenan hinein, um noch an Silberstein eine Frage Zu richten, aber der war fort, und so brach er auf, um nach Haus zu gehen.
Unterwegs fiel ihm ein: Sollte vielleicht? . . . Aber nein, das war nicht möglich, dazu war es alles zu gewandt, zu
1906. Nr. 51.
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