tane in einer eigenen Kontrastierung seine Rezension schließt — „eine doppelte Mahnung, eine, die sich nach oben, und eine andere, die sich nach unten wendet“ (II, 682), enthält.
Fontanes Sympathie für die naturalistischen Versuche ist nicht nur durch die Aufgeschlossenheit des „ewigjungen Alten“' 17 zu erklären. Sie kommen seinen eigenen Bestrebungen weitgehend entgegen. Das, was Fontane selbst vom Drama fordert — leidenschaftlich gespannte Tendenzen, eine hinreißende Macht der Ideen und Gegensätze und vor allem die Komposition der Handlung auf eine tragische Lösung hin — ist in der Gegenwart unmöglich, in der die großen politischen Ideale der Revolution von 1848 und der Einigung Deutschlands der Tagespolitik gewichen sind und der Alltag von historisch und sozial gebundenen „Durchschnittsmenschen“ geprägt ist. Fontane, der sich diese Unmöglichkeit offenbar nicht voll eingesteht, schlägt noch 1887 ein Drama „zwischen Windhorst und Bismarck“ (vgl. S. 182) vor, die „Neuen“ aber bescheiden sich, neue soziale Realitäten der dramatischen Gestaltung als „neuartige Situation“ zu erschließen und die Dramenkriterien selbst umzudeuten. Milieu-, Atmosphäreschilderung, Beschreibung von Menschen in ihren Widersprüchen und Spannungen untereinander, Kontraste nachzeichnen ohne eigentliche tragische Konflikte und Lösungen (wie sie Ibsen in Form idealer Synthesen versucht), das sind Gestaltungskriterien, die Fontane selbst bei seinem Romanwerk leiten, in seiner bewußten Bescheidung auf das Durchschnittliche, „Kleine“, aber auch in dem Empfinden, daß eine Lösung der gegenwärtigen Konflikte und Kontraste nicht, oder zumindest nicht in exemplarischer Weise auf künstlerischem Wege herbeizuführen ist.
In diesem Zusammenhang ist auch Fontanes Vorliebe für offene Romanschlüsse zu sehen 48 — die den Roman Effi Briest abschließende und jedes weitere Fragen unterbindende Antwort des alten Briest auf die Frage seiner Frau nach der Schuld an Effis Schicksal: „Ach, Luise, laß’ (...) das ist ein zu weites Feld“ ist nur eines der bekanntesten Beispiele. Angesichts seiner oben erwähnten eher konventionellen theoretischen Forderungen an das Drama ist es wenig erstaunlich, wenn Fontane diese Gattung als künstlerisches Ausdrucksmittel meidet 49 , ja, trotz seines lebenslangen Interesses für das Theater noch gegen Ende seines Lebens erklärt, seine „Stellung zum Theater (sei) nie intim genug“ gewesen™. Waren doch seine eigenen künstlerischen Möglichkeiten einer unpathetischen, subtil nuancierenden Darstellungsweise gänzlich anders. Von daher konnte Fontane sich eher schon den naturalistischen Versuchen nahe fühlen mit ihrer Auflösung der herkömmlichen Dramenkonzeption. Denn sein „realistisches Programm“ einer künstlerischen Gestaltung des durchaus weitgefaßten „Normalen“ mit seinen Kontrasten und Nuancen — unter Einbezug auch des Humors als kontrastierendem Mittel — ist ja zu einem guten Teil dem der Naturalisten vergleichbar. Auch hat in der komplexen Romanwelt Fontanes das Soziale seinen Platz, wennschon nicht den für die Naturalisten so bezeichnenden Stellenwert. Vor allem aber trennt ihn von diesen ihre einseitige Haltung in der Wahl der von ihnen dargestellten Wirklichkeitsbereiche.
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