erzählerischen Schaffen ist mitbeteiligt an der eher verhaltenen Rezeption der Klassiker, von denen ihm im Grunde nur das „Modern-Menschliche“ anzieht. Sie ist auch einer der Gründe dafür, daß Fontane mit gleicher Unbefangenheit thematische und technische Elemente der „leichteren“ Gattungen schätzt (den liebenswürdig-harmlosen Ton Benedix’, die in den französischen Gesellschaftsstücken vorgegebene Situation, ihre kontrastierende Charakterisierung, den Dialog), wie er bei den traditionellen „ernsteren“ Gattungen deren Aussagekraft vor allem im kontrastreichen Charakter und in dessen Entfaltung sieht. Die dramentechnischen Kriterien des naturalistischen Dramas, die auf zwischenmenschlichen Kontrasten basierenden Situationen Ibsens wie die nuancierte atmosphärische Milieu- und Menschenschilderung der deutschen Naturalisten stehen seinen eigenen ästhetischen Bestrebungen dieser Zeit am nächsten. Daß das durch Ibsen und die Auseinandersetzung mit den deutschen Naturalisten geförderte, immer expliziter werdende Interesse für ästhetischtechnische Kriterien nicht unabhängig sein mag von seinem endgültigen Schritt hin zur ausschließlichen Romanproduktion, dafür könnte auch ein biographisches Faktum sprechen. Fällt doch Fontanes Rezeption Ibsens und der Naturalisten zeitlich mit dem Ende seiner Tätigkeit als Theaterkritiker und dem Beginn seines letzten Lebensjahrzehnts als freier Künstler zusammen.
Anmerkungen
1 Es sei in diesem Zusammenhang auf meinen Artikel Fontane e la critica teatrale (Pisa, Nistri Lisch! 1984) verwiesen, aus dem der vorliegende Aufsatz ein leicht geänderter Auszug ist. Dieser Artikel hatte zum Ziel, neben und in den in Italien nahezu unbekannten Theaterkritiken ■ auch ein freilich zwangsläufig knappes Profil des von der italienischen Germanistik bislang noch wenig gewürdigten Autors zu geben. Daher wurde stärkeres Gewicht auf bibliographische Angaben vor allem bei aktuellen Themenkreisen der Forschung gelegt, im Hinblick auf die Theaterkritik berücksichtigte er auch die hier ausgeklammerten Aspekte der Inszenierungs- und Schauspielkritik und die hauptsächlich in diesen Rahmen fallende Beschäftigung mit dem klassischen Schauspiel.
2 „Historische Genrestücke“ — Fontane zitiert u. a. Kolberg von Paul Heyse und Gustav Putlitz’ Vor hundert Jahren - die wohl vorrangig wegen ihres „historischen Inhalts“ geschätzt sind, werden in diesem Rahmen zurückgestellt. Vgl. hierzu meine obenerwähnte Arbeit.
3 Die Seitenangaben im Text beziehen sich auf die Nymphenburger Werkausgabe, hrsg. von Edgar Groß unter Mitwirkung v. Kurt Schreinert u. a. (= NY), Bd. XXII, 1-3, Causerien über Theater, München, Nymphenburger Verlagsanstalt, 1964—1967. Die römische Zahl entspricht der jeweiligen Teilbandnummer, die arabische der Seitenzahl.
4 Immer wieder hebt Fontane die notwendige Anspruchslosigkeit und „Bescheidenheit“ des Lustspiels innerhalb der Schauspielkunst hervor. Eine eindeutige Rangordnung stellt er indes nicht explizit auf. Daher wird von der Kritik häufig die Auffassung vertreten, er tendiere dazu, die traditionellen Gattungsbewer-
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