In seiner 1976 erschienenen Arbeit über den Verleger W. Friedrich (darin Kapitel 6: Theodor Fontane und Wilhelm Friedrich) stellt M. Hellge fest, daß der Zusammenhang zwischen den Begriffen „Literarisches Leben“, „Literatursoziologie“ und „Literarische Kommunikation“ wenig differenziert ausgearbeitet ist (S. 812).
Einschlägige Arbeiten von L. Schücking (1931), H. Weinrich (1967 und 1971), R. Jauß (1967 und 1971) sowie von H. N. Fügen (1964) sind in Hellges methodische Überlegungen bereits einbezogen. Nicht berücksichtigt wurden die inzwischen in mehreren Auflagen verbreiteten Arbeiten von M. Naumann u. a. [„Gesellschaft—Literatur—Lesen“ 1973 1 (= GLL); vgl. auch I. Münz Koenen 1979], die für die Literaturwissenschaft der DDR grundlegend geworden sind (vgl. D. Schlenstedt u. a. 1981).
Im Vorfeld seiner Forschungen weist M. Hellge noch einmal auf den Sinn und die Notwendigkeit solcher Studien hin (1976, Sp. 988):
„Bei der Überwindung der mehr biologischen und kunstpsychologischen als literaturgeschichtlichen und gesellschaftsanalytischen Argumentation Thomas Manns und eines Teils der Forschung kommt Lukäcs’ Fontane-Aufsatz von 1950, der ausdrücklich an Thomas Mann anschließt, zentrale Bedeutung für den Forschungsprozeß der letzten zwanzig Jahre zu. Denn so sehr auch die marxistische Literaturwissenschaft sich inzwischen von seinen Thesen und Urteilen im einzelnen distanziert hat, erscheint es doch zweifelhaft, ob die bei Lukäcs neu formulierte — wenn auch einseitig und gewaltsam ideologiekritisch explizierte Grundlage bisher schlüssig beantwortet ist: Fontanes Entwicklung in und Fontanes Verhältnis zu seiner Zeit sowie die Integration und ästhetische Verdichtung seiner daraus resultierenden Erfahrungen und Einsichten im Werk.“
(Zu unerledigten Fragen bei Lukäcs vgl. auch Keiler, 1982, S. 67.) M. Hellges Urteil setzt bei den äußeren Bedingungen für Literatur an und zielt auf Fontanes Werke. In diesen Zusammenhang rückt er H.-H. Reuters große Biographie.
„Reuter tat dies jedoch vornehmlich als Biograph und weniger als Interpret des Werkes, was bei seiner Ausgangsposition und Methode zu Verkürzungen im ästhetischen Bereich führt. Denn so entschieden ein ausschließlich an ästhetischen Kriterien orientierter, .immanenter 1 Literaturbegriff abzulehnen ist, so problematisch kann auch eine Forschungshaltung werden, die sich dem Kunstwerk nur unter dem Aspekt der Bedingungen und Voraussetzungen seiner Entwicklung nähert, die es — nach dieser Auffassung — erst ermöglicht und bestimmt haben.“ (1976, Sp. 990)
Diese Charakteristik kommt dem oben beschriebenen Problem nahe, meint den Zusammenhang von Sozialgeschichte und Dichtungsgeschichte.
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