Heft 
(1985) 40
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sehen Literaturgeschichte zu richten (GDL 1975). Der Literaturmarkt und seine Entwicklung sind dort umfassend gewürdigt worden. Es gibt klare Aussagen zum Funktionswandel der bürgerlichen Literatur (vgl. S. 406, 443 ff.), die ausgezeichnet historisch fundiert sind, bis hinein in die ein­zelnen Wirtschaftskrisen verschiedener Jahrzehnte. Aber trotz anteiliger Darstellung historischer, ökonomischer, philosophiegeschichtlicher und spezieller Buchmarktprozesse im Rahmen des VerhältnissesLiteratur und Gesellschaft (GDL, S. 30-45, 201-214, 410-433, 711-760, 938-945) bleibt ein gewisses Nebeneinander bestimmend, und Fontanes Entwicklung wird oft relativ unabhängig davon historisch-genetisch dargestellt. Trivial­literatur wird (s. S. 787) apologetischer Literatur subsumiert, und Begriffe wieGeschichtsbelletristik (S. 789; Werke von Felix Dahn und Gustav Freytag) erscheinen nebentrivialer Massenliteratur (etwa Karl May, S. 792). Das trifft grundsätzlich zu, zerreißt aber auch den Zusammenhang zwischen den Autoren und versperrt den Einblick in die Übergänge im Werk eines Autors wie Fontane. Der Wert dieses Neuansatzes ist unbestritten und wird in anderen Arbeiten fortgeführt (vgl. Rosenbergs Arbeiten zurtrivialen Literaturgeschichtsschreibung, 1981, S. 134).

Eine zweite Gruppe von Arbeiten ist von besonderem Wert für unsere Fragen, weil in ihnen die Anwendung des Begriffes LL auf Fontane Gegenstand von Spezialuntersuchungen ist. Diese Arbeiten sind gründlich auszuwerten (gründlicher, als dies hier möglich ist). Dazu gehören auch, im historischen Zusammenhang, andere nicht so benannte Detailunter­suchungen: Arbeiten zu Schriftstellerkollegen, Redakteuren und Heraus­gebern, wie sie in der Auswahlbibliographie [Fontane-Blätter, Heft 38 (1984), S. 617623] zusammengestellt sind. Im Einzelfall, um das Jahr 1880 gruppiert, soll im nächsten Abschnitt Umrissen werden, wie literatur­soziologische Verhältnisse, über Einzelpersönlichkeiten vermittelt, wirken. Diese wiederum wären in das weite Netz des Marktes einzuflechten. (Vgl. Schultze 1969 u. 1977; Krueger 1973 u. 1980; Betz 1980, in: Aust; Erler- Golz 1982; H. Richter 1984; Jolles 1984 u. a. m.)

Die früheste Studie der zweiten Gruppe stammt von P. Demetz:Kitsch, Belletristik, Kunst: Theodor Fontane (1970). Ohne Einbeziehung der entstehungs- und wirkungsgeschichtlichen Umstände analysiert P. Demetz LAdultera, liest er zum Vergleich den FortsetzungsromanSchwankende Herzen (1886 inÜber Land und Meer). Die Stärke dieser Studie sind ihre schöpferischen Beobachtungen am Text. Um seinen Verdacht zu stützen, daß Elemente von Kitsch und Belletristik ineinander übergehen, findet P. D. folgende Kennzeichnung (1970, S. 11 f.):

Das erzählerische Verfahren ist nicht unbekannt: die Großstadt, Thale, Wiesbaden, ein Kurort, gerade noch das Lokale angedeutet, aber nicht in spezifischen Lokalfarben präsentiert; die Darstellung szenisch, d. h. in Gesprächen akzentuiert: die Wendepunkte der Handlung von Familieninteressen (Verlobung, Hochzeit, Erbschaft) bestimmt; und das Schluß-Tableau, mit Christbaum, Wiege, happy end, reines Saccharin. Entscheidend aber, daß der Erzähler Unwillens ist, die Gesetze des genres, das Nüchternheit, Alltag und Kontinuität

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