verlangt, folgerichtig zu akzeptieren, und die deutliche Regression zu einer romanzenhaften Melodramatik verrät, die wieder die Sehnsucht nach der Irrationalität märchenhafter Wunscherfüllungen andeutet — als Selbstmordversuch und überraschende Rettung aus dem Wildbach; Schiffbruch und plötzliche Wiederkehr; Sturz in den Gletscher und die Rettungsmannschaft auf halbem Wege. In einer Erzählform also, die sonst durch bürgerliche Kontinuität konstituiert wird, der Drang zur Aufhebung aller Kontinuitäen: deshalb die symptomatischen Sätze, die sich mit dem Hinweis und in der Tat über die Frage der Kontinuität wie spielend hinwegsetzen; rasche Erscheinungen (er kam in die Tür geschneit); unerwartete, aber totale Veränderungen ohne jegliche Nuance; das absolute Anders, das ein reizvolles Mädchen hastdunichtgesehen in eine alte kranke Frau verwandelt; apodiktische Vorgänge, die jeder Zeitlichkeit ermangeln. Eine Erzählform, welche die Rationalität des genre nur noch als Fluch empfindet und in die Romanze flüchtet; eine fugenlose Welt, die den Leser mit flachen Versatzstücken umstellt: Regression, Kulisse, Zeit ohne Zeit, Konflikt ohne Konflikt; eine Welt, die nichts mehr zu wünschen, aber auch nichts mehr wiederzulesen gewährt.
P. Demetz’ Einleitung, seine undifferenzierte (ahistorische) Abwertung der Verspätungsthese (bei Th. Mann, G. Lukäcs, H.-H. Reuter) teilen wir nicht; aber sein Hinweis auf die Abwehr von Öffentlichkeit (S. 13), mithin eine Art „Vermeidungsstrategie“ (vgl. Kl. R. Scherpe 1979, S. 73), ist als Anregung zur Weiterführung solcher Textbeobachtungen wertvoll. Eine historische Fundierung der Beobachtung von Thomas Mann, daß die Verspätung des Schriftstellers Fontane eine Verjüngung einschließe (die G. Lukäcs begonnen hat), kann m. E. produktiv ins Umfeld des LL geführt werden. Der späte Fontane wurde nicht nur von der Jugend „auf den Schild gehoben“, und er meinte auch nicht immer: „Die Jugend hat Recht.“ (Vgl. Keiler 1980, S. 604 f.) Seine weiter zurückreichenden Kunsterfahrungen mußten auch mit den neuen Bedingungen und Bestrebungen kollidieren. P. Demetz kann zwar Unterschiede zwischen „L’Adultera“ und „Effi Briest“ herausarbeiten, aber die Übergänge im Einzelwerk (Einzeltext) treten nur ansatzweise hervor. Für eine angemessene Bewertung muß komplexer herangegangen werden. Das Urteil differenziert sich nicht nur im Blick auf Fontanes Entwicklung (das versucht Demetz), sondern im Vergleich mit anderen Zeitgenossen (vgl. Grieve 1979) und Schaffens- bedingungen, die durch den Markt und andere geschichtliche Prozesse vorgegeben sind.
C. Liesenhoff (1976), H.-J. Konieczny (1978) und M. Windfuhr (1979) haben die bisher umfangreichsten Spezialuntersuchungen zu „Fontane und das literarische Leben seiner Zeit“ vorgelegt (Liesenhoff 1976). Explizit nennt sich C. Liesenhoffs Arbeit „eine literatursoziologische Studie“. Sie ist noch Sanz den methodologischen Vorüberlegungen verpflichtet, die breiten Raum einnehmen (vgl. S. 7—40). Der Begriff LL (S. 40) wird mit H. N. Fügen und ähnlich wie bei R. Wittmann beschrieben, letztlich als eine Summe von Faktoren mit besonderer Berücksichtigung der Familienzeitschriften