Gestaltung als ein Doppelproblem kennzeichnet.
Fontane an Paul Lindau am 14. 1. 1880: „Ich schreibe heute wegen einer Novelle, mit der ich im Brouillon eben fertig bin ... Es wird niemand gefeiert noch weniger gelästert, und wenn ich bemüht gewesen bin, das Leben zu geben, wie es liegt, so bin ich nicht minder bemüht gewesen, das Urteil zu geben, wie es liegt. Das heißt im Letzten und nach lange schwankender Meinung, freundlich und versöhnlich.“
Mochte der „Stoff“ gegeben sein, das „Urteil“ über den Fall Ravene differierte nicht nur, seine erzählerische Gestaltung war ausschließlich Sache des Autors Fontane. Bismarck soll gesagt haben, „Das Ereignis Ravene beraubt für mich Berlin einer Dekoration, solche Dinge kamen früher nur in der französischen Botschaft vor.“ (Mende 1980, S. 183, nach den Erinnerungen des Freiherrn L. v. Ballhausen, 1920)
Wir möchten an dieser Stelle eine methodologische Überlegung einfügen. Für eine Sozialgeschichte der Kunst ist es entscheidend (und wohl auch hinreichend), daß Fontane „Frauenleben“ als zentrale Thematik seines Spätwerkes erobert, was spätestens seit Reuter (vgl. 1972, S. 61 ff.) untersucht ist. Für unsere sehr speziellen Zwecke kann hier leider nicht ausführlich über solche sozialgeschichtlichen Darstellungen informiert werden. Das wäre ein selbständiges Thema. Für eine Dichtungsgeschichte im sozialen Kontext, die die erzählerische Spezifik eines lesergerichteten Mediums mit den historischen Grundpositionen des Zeitalters zu verbinden trachtet, stellt sich die Frage nach Fontanes Verhältnis zur trivialen Massenliteratur anders. Der Vorstoß zur Entfremdungsproblematik (als Epochenproblematik des sozialen Romans) ist für beide verpflichtend; für die eine der Zielpunkt, für die andere Richtung wird damit ein Rahmen abgesteckt, in dem die je unterschiedlichen Bewegungen des Autors (als Grenzen der Utopie zwischen Trivialität und perspektivischem Protest) zu beobachten sind. Daß diese nicht unabhängig von den Bewegungen der Trivialliteratur verlaufen, ist schon mehrfach dargelegt worden. Gestalt und Funktion der Texte sind nicht identisch — gerade darum muß auf das Zusammenspiel der genannten Ebenen verwiesen werden. Im Individualstil eines Künstlers treffen sie sich.
Wir möchten erneut beim Doppelcharakter der erzählerischen Arbeit anknüpfen, wie sie sich zunächst in der Unsicherheit F.s im oben zitierten Lindau-Brief äußerte („ ... nach lange schwankender Meinung“ habe er sich entschieden).
Solche Bemerkungen verraten die Suche. Dazu fügen sich andere Äußerungen Fontanes. Auf „Quitt“ bezogen, schreibt er: „Das Aufgehen der ... Geschichte wie ein Rechenexempel, ganz ohne Bruch, ist gewiß ein Fehler.“ (18. 9. 1891) Diese Äußerungen führen in das weite, nicht völlig erschlossene Feld der Arbeitsspuren in den Werkmanuskripten und, nicht unabhängig davon, zurück zu den Debatten. Die konkrete Suche nach Romanschlüssen und Konfliktlösungen (vgl. Kafltz 1979, S. 31—44; — man denke auch an das von F. selbst als trivial bezeichnete Auffinden der
216