um dort auch die historischen Grenzen und Möglichkeiten, die „Nahtstellen“ der Vermittlung (auch zur Trivialliteratur) zu bestimmen und zu verfolgen. Solche Überlegungen haben P. U. Hohendahl (1979), Kl. R. Scherpe (1978) und P. Wrack (1967, 1985) berücksichtigt. Hohendahl gewinnt produktive Anstöße für eine Neuinterpretation der „Mathilde Möhring“. Kl. R. Scherpe hat die Mehrfachstruktur des „Stechlin“ aufgedeckt, und Wrack hat, indem er tragende Motive als Möglichkeiten für die Gestaltung der Geschichte untersucht, „Irrungen, Wirrungen“ neu beleuchten können (auch im Verhältnis zur Trivialliteratur; vgl. auch Grawe 1982, S. 258 f.; Schuster 1978, S. 10 ff.). Für alle diese Studien gilt, daß sie energisch auf den literarischen Text zurückverweisen, und zwar mit jener schon genannten doppelten Blickrichtung. Hier wird Text als Prozeß verstanden, und eine ganze Reihe unterschiedlicher Rezeptionsansätze können damit erklärt werden. Neue überraschende Momente haben auf diese Weise auch H. Aust zu den „Poggenpuhls“, P. I. Anderson zu „Meine Kinderjahre“ und „Effi Briest“, P. Bange zu den „Wanderungen“ (zwischen Mythos und Kritik) und K. Richter zu Fontanes Gedichten eingebracht (alle 1980, vgl. Aust: Fontane aus heutiger Sicht).
Blicken wir auf Fontanes Arbeit Anfang der 80er Jahre zurück, so sind seine Anfänge als Romanschriftsteller (wie gezeigt) eng an den Rahmen der zeitgenössischen Publikations- und Verdienstmöglichkeiten gebunden. In der Rechtfertigung seiner Gestaltung von „L’Adultera“ ist sowohl ein Protest gegen die Einengungen der Massenpresse enthalten wie auch der Versuch, mit dem Ausbruch der beiden Liebenden eine (blasse) Utopie vom unabhängigen Glück (durch Mut und Gesinnung) neu zu gestalten. Eine Betrachtung aus sozialhistorischer Sicht zeigt, daß diese Gestaltung den Rahmen des gesellschaftlich Möglichen sprengt. Insofern ist die Aufgabe glücklicher Lösungen in „Cecile“ bis hin zu „Effi Briest“ ein Gewinn an Realismus, obwohl damit eine Einengung der Gestaltungsmöglichkeiten verbunden ist.
Aber diese Grenzen sind nicht absolut, zumal mit fortschreitender Entwicklung neue Rahmenbedingungen neue Lesarten einbringen. Können also die Vielzahl schöpferischer Beobachtungen zu den Texten und die Suche des Autors nach Lösungen (nach Möglichkeiten für den Umgang mit Stoffen und Motiven) in die Analyse eingebracht werden, so nähern wir uns einer dichtungsgeschichtlichen Darstellung, die die historische Dimension der Gestaltung nicht übersieht, ohne diese (ahistorisch) festzuschreiben. Literaturgeschichte ist kein Schrein mit alten Texten.
„Die Asynchronie zwischen ihrer Produktions- und ihrer Wirkungsgeschichte bildet ein Vehikel zu ihrem wirklichen geschichtlichen Verständnis“, meint CI. Träger und setzt mit Blick auf einen derart dialektischen Begriff von Literaturgeschichte hinzu: „Der Begriff der Geschichte bezeichnet eine universelle Prozeßhaftigkeit, mithin auch nicht allein eine fortschreitende Kette von praktisch-geistigen Hervorbringungen, sondern ebensowohl jeweils deren Fortschreiten über ihre Entstehung und aktuelle Wirkung hinaus. Das einmal produzierte, geschichtlich-menschliche Werte mit sich führende Werk
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