fens Fontanes; einen repräsentativen Überblick zu erwarten hieße die Ansprüche angesichts der knappen Konzeption der Reihe zu hoch stecken, so daß man es sich versagen muß, auf Gedichte hinzuweisen, die man hier vermißt. Einige erläuternde Anmerkungen des Herausgebers zur Lyrik Fontanes und zu den Prinzipien der Auswahl wären auch hier am Platze gewesen. Denn jeder Leser, der Gedichte nicht nur als zerstreuende Minutenlektüre in Krisenzeiten betrachtet, wird sicherlich Hinweise zu schätzen wissen, die es ihm ermöglichen, die hier vorliegenden Gedichte in einem größeren Zusammenhang zu sehen.
„ ... dieser Fontane der poetischen Lebensweisheit kann hier von jedem Leser für sich privat entdeckt und zum treuen Begleiter durch den eigenen Alltag gemacht werden“ — so verkündet der Klappentext der von K. Ke- witsch besorgten Auswahl „Ernst und Scherz. Lebensweisheit in Gedichten“. Die Balladen werden bewußt ausgeklammert, man will den „anderen“ Fontane vorstellen. Glücklicherweise haben trotz der selbstgewählten Beschränkung auf „poetische Lebensweisheit“ auch Gedichte Eingang in die Anthologie gefunden, die der nivellierenden Etikettierung unversehens gegen den Strich gehen („Berliner Republikaner“, „Der Trinker“, „Unsere ,deutsche Frau 1 “, „Veränderungen in der Mark“ u. a.), auch weniger bekannte, die man nicht unbedingt hier vermuten würde (Widmungsverse und Gelegenheitsgedichte). Gelingt es dem Leser gerade bei diesen Gedichten, die Gefahr der programmatischen Reduzierung auf den Begriff der „Lebensweisheit“ zu erkennen, wird er viele Perspektiven entdecken, die über den engen Rahmen hinausweisen. Die Herausgeberin verzichtet auf eine chronologische oder inhaltlich-thematische Gruppierung der ausgewählten Gedichte (eine Begründung dazu fehlt), so daß es dem Leser anheimgestellt ist, sich seinen Weg der Entdeckung des Lyrikers Fontane selbst zu bahnen. Man will ihn dabei nicht ganz allein lassen; als optische Wegweiser sollen die 16 Zeichnungen G. Königs dienen. Die selbstbewußte Versicherung des Klappentextes, die Zeichnerin übertrage „mit feiner Feder Zeitkolorit und Zeitlosigkeit von Fontanes Verskunst in die deutend-andeutenden Illustrationen“, muß man allerdings schlicht als einen Euphemismus bezeichnen. Denn die Zeichnungen, die man leider weder humorvoll noch subtil oder einfühlsam nennen kann, zeugen nicht davon, daß sich ihre Autorin mit den betreffenden Gedichten intensiv oder gar verständnisvoll auseinandergesetzt hätte.
Das Nachwort der Herausgeberin (mit lVs Seiten buchstäblich ein Nachwort), im Vertrauen darauf, daß der Leser „der magischen Wirkung- einzelner Gedichte spontan verfallen ist“ (S. 150), hat wenig an einfühlsamer Erklärung anzubieten und beschränkt sich auf einige plakative Beurteilungen und Thesen, die nicht zuletzt durch ihre Formulierung fragwürdig werden („Fontane, der von der Literaturgeschichte grobschlächtig als Realist Eingestufte“, erweise sich hier als „Meister der poetischen Selbstsuggestion“; S. 150f).
Bücher wie diese, so wurde eingangs festgestellt, dienen nicht dem speziellen Interesse des Philologen, sondern dem Unterhaltungsbedürfnis eines sogenannten breiten Publikums. Heißt es über das Ziel hinaus-
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