Heft 
(1985) 40
Seite
237
Einzelbild herunterladen

bände, die dem Fontane der prägnant formulierten Lebensweisheit hul­digen. Viel Widersprüchliches, Erbostes, Provokatives wird tunlichst ignoriert. Was übrig bleibt, erweckt nicht selten den Eindruck künstlicher Harmonisierung Fontanes Lebenskunst als affirmative Gebrauchslite­ratur ohne Widerhaken?

Das Bild bleibt lückenhaft, man muß sich mit einzelnen Akzenten begnü­gen. Aber muß man das wirklich? Es ist notwendig, Anspruch, Auswahl­kriterien und Prinzipien der Präsentation kritisch zu überprüfen. Vielleicht gelingt es dann, eine Auswahl zu schaffen, die statt des scheinbar so handlichen Fontane für die Tasche einen glaubwürdigen Fontane in Lebensgröße vorstellen kann. Beflissene Betulichkeit und falsche Harmo­nisierung werden weder Fontane noch seinen heutigen Lesern gerecht. Die hier vorliegenden Auswahlbände hätten ihre Aufgabe nur dann erfüllt, wenn es ihnen gelänge, literarische Neugierde zu wecken und den Appetit auf mehr Fontane zu stimulieren. Wird dem Leser Spielraum für weiterführende Fragen gelassen, kann sich die anregende Wirkung des Pausengetränks entfalten.

Konstantina Delbruyere: Der Dialog, seine Funktion und Bedeu­tung in den späteren Romanen Theodor Fontanes.

Diss. München 1982

[Rez. Joachim Biener]

Einer Untersuchung über den Dialog bei Fontane begegnet man mit hoher Erwartung. Zum einen ist mit diesem Thema die ideell-ästhetische Eigen­art, des Dichters berührt. Zum anderen gibt es auf diesem Gebiete ver­pflichtende wissenschaftliche Vorleistungen, die nicht ohne weiteres weiterzuentwickeln sind. Unsereiner erwartet von einer solchen Unter­suchung zudem eine Würdigung der objektiv dramen- und filmnahen Dialogik Fontanes unter Bezugnahmen sowohl auf Heinrich von Kleist, auf sein ästhetisches Prinzip derAllmählichen Verfertigung der Gedan­ken beim Reden, als auch auf Bertolt Brechts Theorie der gestischen Rede, des gestischen Wortes, wie er sie zum Beispiel im AufsatzUber reimlose Lyrik in unregelmäßigen Rhythmen entwickelt hat. Auf die Theorie aus der Zeit Kleists wird in der Tat zurückgegriffen. Adam Heinrich MüllersReden über Beredsamkeit werden (S. 131) im Sinne allgemeiner Erörterung im Roman angerufen. Brecht ist einmal (S. 159) allgemein erwähnt, nicht im Hinblick aufgestische Konsequenz, auch wenn sich (S. 143) der Verfasserin im Zusammenhang mit gewissen Figuren Fontanes das Attribut derGriffigkeit der Rede aufdrängt. Zunächst enttäuscht die Untersuchung, die von einer mit einem Belgier verheirateten Bulgarin verfaßt und die von Helmut Motekat an der Universität München betreut wurde. Sie bleibt vorerst in Bekanntem und wenig systematischer Darstellung stecken. Freilich treten anregende