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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
Luftdruck herrscheu in der Regel nur sehr schwache Winde oder Windstillen bei heiterem und trockenem Wetter. Auch unsere Karte zeigt diese Beziehungen im vollsten Maße.
Aus Windrichtung und Windstärke sowie aus dem Zustande des Himmels lassen sich sehr leicht die Temperaturverhältnisse ableiten. Hierbei sind zwei gleichzeitig auftretende Factoren zu berücksichtigen, deren Wirkung nach den Jahreszeiten und je nach den Bewölkungszuständen sehr verschieden ist und leicht zu unrichtigen Schlüssen Veranlassung geben kann: nämlich die Wärmeeinstrah- lung und -Ausstrahlung und der Lufttransport. Zur Sommerzeit ist die Einstrahlung der Sonnenwärme entschieden überwiegend, dagegen zur Winterzeit unbedeutend, wogegen die Ausstrahlung die Hauptrolle spielt: daher im Maximum des Luftdrucks im Sommer große Wärme, im Winter strenge Kälte. Im Minimum des Luftdrucks ist der Himmel trübe und hierdurch Ein- und Ausstrahlung gehemmt. Abgesehen vom Lufttransport werden wir in der Umgebung der Depression im Winter mildes und im Sommer kühles Wetter haben. Jedoch hat hier der Lufttransport einen sehr entschiedenen Einfluß: Kommt der Wind aus wärmeren Gegenden, wie im Winter (an der Südseite des Minimums) vom Ocean und im Sommer aus östlichen Gegenden (an der Nordseite des Minimums), so wird Erwärmung eintreten; kommt dagegen der Wind aus kälteren Gegenden, wie im Winter aus dem östlichen Continent, im Sommer vom Ocean her, so wird Abkühlung erfolgen. Um die Karten nicht zu überladen, wurden die Thermometerangaben weggelassen; es möge daher die Bemerkung genügen, daß am 20. October über dem ganzen südwestlichen Europa infolge der lebhaften nördlichen und nordöstlichen Luftströmung Abkühlung, dagegen im westlichen Deutschland, wohin die Luft aus den wärmeren südöstlichen Gegenden strömte, Erwärmung erfolgte.
Sowohl die barometrischen Maxima als Minima sind meist in stetiger Bewegung begriffen. Um uns hiervon zu überzeugen, vergleichen wir die Karte vom 21. October mit derjenigen des Vortages: das Minimum in den Vereinigten Staaten
! ist nordostwärts fortgeschritten und liegt jetzt in der Seeregion. Die Linie bezeichnet die Bahn des Minimums, die Punkte in derselben die Morgenpositioneu mit dem beigeschriebenen Datum, so daß das Minimum bis zu seinem Verschwinden verfolgt werden kann. Das Minimum südlich von Grönland hat sich nordwest- wärts fortbewegt und liegt jetzt au der Westküste von Grönland. Die Zugstraße des Minimums, welches sich aus dem Inneren Amerika's über den Ocean nach den Nordküsten Enropa's verfolgen läßt, bietet durch die Schleifeubildung an der grönländischen Küste etwas Eigenthümliches. Solche Schleifen sind zwar nicht häufig, jedoch in einzelnen Gebieten, so an Grönland, an den Küsten Irlands, über der Nordsee, über Südschweden und in der Umgebung Italiens, sind sie nicht selten. An der Südküste Amerika's ist eine tropische Cyklone erschienen, welche Cuba und Florida plötzlich überraschte. Auch das Minimum im westlichen Mittelmeer ist etwas ostwärts fortgeschritten, und dasjenige im hohen Norden hat sich nach der nordasiatischen Küste entfernt, während das Maximum des Luftdrucks jetzt über Skandinavien lagert.
Die Gebiete mit hohem Luftdruck verändern in der Regel nur sehr langsam ihren Ort, oft liegen sie mehrere Tage lang über einer und derselben Gegend und geben so der Witterung den Charakter der Beständigkeit. Dagegen ist die Fortbewegung der Minima eine sehr- rasche: im Mittel beträgt sie für Europa und den atlantischen Ocean 7 bis 10 m pro Secunde (in Amerika ist die Geschwindigkeit beträchtlich größer), jedoch ist dieselbe in einzelnen Fällen sehr verschieden: manchmal erscheint ein Minimum fast stationär, manchmal hat dasselbe Sturmgeschwiudigkeit? Die Fortbewegung geschieht für die ganze nördliche Hemisphäre, der Calmengürtel ausgenommen,
* Die mittlere Geschwindigkeit der barometrischen Minima, welche ich aus den von der Seewarte herausgegebenen Bahnenkarten der Minima für die fünf Jahre von 1876 bis 1880 berechnet habe, betrügt für Europa im Winter 67, im Frühjahr 61, im Sommer 54, im Herbst 71 und im Jahre 63 Myriameter in vierundzwanzig Stunde!:. Vgl. van Bebber: „Wissenschaftliche Ergebnisse aus den monatlichen Uebersichten der Witterung von 1876 bis 1880."