Heft 
(1881) 300
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Inga S v e n d s o n.

Novelle

von

Otto Roquettc.

11.

inige Zeit darauf, an einem der letzten Tage des Angust- monats, ritt Herr von Schell- born von seinem Gute aus nach der be­nachbarten Oberförsterei Eisenthal. Es war ein frischer Morgen; der. Weg, nur eine Stunde weit, immer durch den Wald, so angenehm, als man sich nur wünschen konnte. Der junge Reiter fühlte sich in froher Stimmung, wie immer, wenn er sich auf dieser Straße befand, denn das Haus zu Eisenthal begann seit einiger Zeit eine ernstere Anziehung auf ihn zu üben. Er hatte schon als Knabe gute Nachbarschaft mit den Bewohnern gehal­ten und durfte jetzt, seit er sein väterliches Gut übernommen hatte, als nächster Nach­bar auf willkommenen Empfang rechnen. Die Tochter des Oberförsters, obgleich viel jünger als er, hatte doch zuweilen

die Knabenspiele getheilt und ihn auch wohl über die Kinderjahre hinaus bei seinem Vornamen Paul genannt. Das hörte mit der Zeit aus. Eine Reihe von Jahren die Universitätszeit und län­gere Abwesenheit auf Reisen hielt ihn entfernt und brachte eine gewisse Ent­fremdung. Als er sich dann aber dauernd ans seinem Grundbesitz niederließ und bei dem ersten Besuche das erwachsene und erblühte Mädchen wiedersah, begannen seine Augen weit zu werden, und je zu­rückhaltender sie gegen ihn war, desto mehr wünschte er, sie möchte ihn wieder Paul nennen. Er ritt in den Hof, wurde gemeldet und von der Frau Oberförsterin in ihrem kühlen kleinen Empsangssaal freundlich willkommen geheißen. Ihr Gatte war im Walde, die Tochter ließ sich nicht blicken. Die Dame wußte Besuche zu

M o ua t S y e st e, N. 8»0. September 1881. Vierte Folge, Bd. VI. 86. ÜÜ