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Jllustrrrte Dcut>che Monatshefte.
unterhalten und die Empfangenen selbst reden zu machen, und so mußte er von seiner Reise in die Schweiz erzählen und von Kunstwerken, die er in Städten gesehen hatte. Es siel ihm auf, daß Frau Volkmar die Abwesenheit ihrer Tochter nicht entschuldigte, so oft er auch mit ziemlich unzweideutigen Blicken nach der Thür zu den Frauengemächern sah. Ein Gefühl zwischen Ungeduld und Niedergeschlagenheit überkam ihn, während er sich doch nicht entschließen konnte, aufzubrechen, ohne Konradine gesehen zu haben. Da drangen Töne an sein Ohr, die ihn überraschten. Ein Clavier war zwar auch hier wie in jedem Hause zu finden, und ein wenig Musik hatte er auch sonst schon in der Obersörsterei gehört, aber niemals eine Geige. Und er täuschte sich nicht, er hörte aus der Entfernung Läufe, Uebun- gen und allerlei schwierige Griffe auf den Saiten. „Wer spielt bei Ihnen neuerdings Violine?" fragte er überrascht.
„Wir haben Besuch im Hause," ent- gegnete Frau Volkmar. „Besuch von weither — entfernte Beziehungen aus meiner Jugend."
Schellboru sah die Dame an und hoffte, sie werde mehr sagen. Ihre Antwort schien ihm eher ein Ausweichen, und er war so wenig gewöhnt, daß man sich in der Oberförsterei in Geheimnisse hüllte. Wenn er sonst kam, fand er gleichsam Thür und Thor offen; von den Kindern, von Gästen im Hause war offen die Rede, oder sie kamen auch sonst zur nachbarlichen Begrüßung. Er wußte sich heute in die ungewohnte Beschränkung gar nicht zu finden. Der Oberförster trat bald darauf ein und brachte das Gespräch noch einmal in Bewegung. Man sprach von den Nachbarn, und als Paul beiläufig erwähnte, daß der Freiherr von Troll sich seit einigen Tagen wieder auf seinem Gute befinde, rief der Oberförster: „Ist er schon da? O, das ist mir lieb!" Und
Paul wollte bemerken, daß Herr Volkmar mit seiner Gattin einen raschen Blick wechselte, der ans irgend einen Plan, eine Absicht schließen ließ. Dergleichen fiel dem jungen Manne ans, er fühlte, daß man heute nicht ganz frei gegen ihn war. Und überdies: was hatte es dem Oberförster so besonders lieb zu sein, daß der Freiherr zurückgekehrt? Standen doch Beide, wie er wußte, gar nicht in so nahem Verkehr mit einander! Und Konradine erschien nicht, und beide Eltern schwiegen über ihr Ausbleiben! Endlich konnte Paul die Frage nicht länger auf dem Herzen behalten, ob er nicht das Vergnügen haben werde, auch Fräulein Konradine zu begrüßen? — „Ja, wo ist sie denn?" fragte der Vater. — „Ans einem Spaziergange — mit unserem Gaste," entgegnete Frau Volkmar. „Sie müssen heut' entschuldigen, Herr von Schellboru!"
Paul erhob sich, enttäuscht und beinahe etwas verletzt, und verabschiedete sich. Der Oberförster, welcher nichts von seiner Regung ahnte, begleitete ihn bis vor die Thür und rief dem Dahinsprengenden noch ein: Aus baldiges Wiedersehen! nach. Paul's fröhliche Stimmung war in das Gegentheil umgeschlagen. Er fühlte, daß man ihm in dem befreundeten Hause etwas verhehlte, und der Gedanke, daß dies in irgend einer Verbindung mit Konradinen stehen könnte, regte ihn lebhaft aus. So trabte er in größerer Eile, als er nöthig gehabt hätte, durch den Wald. Bei einer Lichtung angelangt, wo in der Nähe der Straße und ans einer Anhöhe ein Aussichtsplatz mit Tisch und Bänken angelegt war, bemerkte er Frauengewäuder, ein Helles und ein dunkles. Er erkannte Konradine. Neben ihr befand sich ein anderes junges Mädchen. Sein Herz klopfte freudig, aber bei dem nächsten Blicke stutzte er und hoffte, sich zu täuschen. Denn in der Anderen glaubte er die blonde junge Aden-