2 - w. Ls. Riehl in München. —
gab sie dem Pförtner und sprach sehr fest: „Die gnädige Frau wird mich erwarten."
Etwas überrascht maß der Pförtner den völlig Unbekannten und entfernte sich dann, ihn anzumelden.
Besuche kamen nämlich in dieser Villa gar nicht vor. Frau von Bechen, eine norddeutsche Dame, hatte vor mehreren Jahren das reizende Besitzthum gekauft, welches nun ihren Namen führte; aber sie war und blieb eine Fremde, sie verkehrte mit Niemand in dem so geselligen und gastfreien Trier. Man wußte nur, daß sie von ihrem Manne getrennt und fabelhaft reich sei, dazu schön, geHtvoll, gebildet, liebenswürdig, vierunddreißig Jahre alt, kinderlos und so gesund, daß sie nicht einmal eine interessante Migräne hatte. Trotzdem hatte sie den berühmtesten Arzt der Stadt als Hausarzt angenommen, der dann alle vierzehn Tage in der verzauberten Villa erschien, um eine Patientin zu behandeln, welcher nichts fehlte. „Andere Leute", so pflegte der würdige Geheime Sanitätsrath zu sagen, „consultiren mich über ihre Krankheiten, Frau von Bechen consultirt mich über ihre Gesundheit, und das ist alleweil die angenehmste Praxis."
Uebrigens gehört ein Hausarzt in jedes vornehme Haus, und Frau von Bechen war sehr vornehm.
Der Geheimrath brachte die einzige Kunde von der räthselhaften Frau in die Stadt, und so charakterisirte er denn auch, ein ebenso scharfer Beobachter der Seele wie des Leibes, ihr aristokratisches Wesen unter Freunden folgendermaßen:
„Es gibt plumpe und feine Aristokraten. Die plumpen wollen herrschen, imponiren, sie fordern Huldigung, Bevorzugung, sie wollen als ganz besondere Menschen beneidet und schüchtern von unten angeblickt werden. Das sind die männlicheren Naturen, gleichviel sonst ob Mann oder Frau. Der feine Aristokrat, mehr weiblichen Wesens, begehrt dies Alles nicht. Er will nur unabhängig, er will sein eigener Herr sein, unberührt von allem fremdartig Aufdringlichen, Unfeinen, Gemeinen. Irnpsrars — schreibt der Eine über seinen Wappenschild, Uoki ins tunAsrs — der Andere. Wird der plumpe Aristokrat verrückt, dann verfällt er dem Größenwahn, wird es der feine, dann verfällt er dem Einsamkeits- und Reinlichkeits-Wahnsinn. Eine Aristokratin dieser zweiten Klasse ist Frau von Bechen. Verhüte Gott, daß ich die treffliche Frau für verrückt erklärte; aber wenn ihrem Gemüthe ja einmal Gefahr drohen sollte, so wäre es doch von dieser Seite."
So sprach der Arzt und that sein Möglichstes, dieser Gefahr vorzubauen, indem er bei seinen Besuchen die kleine Chronik der Trierer Gesellschaft höchst artig und verlockend berichtete, damit die einsame Dame doch auch einmal Lust bekomme, diesen interessanten Verhältnissen und Personen nahe zu treten. Allein Frau von Bechen hörte mit dem einen Ohre halb zu und mit dem andern gar nicht und blieb gegen die ganze Welt im Allgemeinen und die Trier'sche im Besondern so gleichgültig wie zuvor.