Heft 
(1879) 25
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N). ks. Riehl in München.

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Dieser Gedanke fuhr wie ein Blitz durch die Seele des Professors, als ihn Frau von Bechen begrüßte; denn er Halle eine schöne Frau Zusehen erwartet und sah nun zwei auf einmal: die Herrin und ihre Gesellschaftsdame, Miß Morlan.

Allein Miß Morlan blieb eine stumme Person; sie sprach nur englisch. Und fast wäre Frau von Bechen nach den ersten Worten des Empfangs gleich­falls eine stumme Person geworden, da sie beim Anblick des Fremden augen­scheinlich mehr von Ideen erfaßt wurde, die sie nicht aussprach, als von solchen, die sie hatte anssprechen wollen.

Doch sammelte sie sich rasch und entschuldigte sich, daß sie es gewagt habe, Herrn Walter auf eine Stunde seinen Studien und seinen Freunden zu entziehen. Allein sie hoffe ihn einigermaßen zu entschädigen durch den Anblick des antiken Mosaikbodens, der hier auf der Villa gefunden worden sei, und der ihn ohne Zweifel interessiren werde.

Eines Mosaikbodens?" fragte der Professor mit der Miene vollkommenster Unwissenheit.

Meines Mosaikbodens," wiederholte Frau von Bechen;ich habe das volle Eigenthumsrecht des seltenen Fundes erworben. Und Sie haben noch nichts von dieser Mosaik gehört?"

Der Professor blieb stumm und schüttelte nur ein wenig mit dem Kopfe. Als ehrlicher Mann wollte er nämlich nicht geradeaus mit Worten lügen, aber mit Schweigen darf marüs schon eher, namentlich wenn man eine schöne Dame ein klein wenig ärgern will. Und das wollte er. Denn er hatte genug von der merkwürdigen Mosaik vernommen, aber auch, daß die Besitzerin den kostbaren Fund vor den Augen aller Alterthumsfreunde verschlossen und dadurch das ganze gelehrte Trier verstimmt und das ganze neugierige Trier ent­rüstet hatte.

Jetzt war auch sie merkbar verstimmt über seine Gleichgültigkeit und Unwissenheit. Ach, das war so ächt weiblich, oder richtiger so acht mensch­lich. Erst ärgerte sie's, daß alle Welt sich um ihren Schatz kümmere, und nun ärgerte sie sich, daß der erste Mensch, den sie darauf ansprach, sich noch gar nicht um ihren Schatz gekümmert hatte. Professor Walter aber verharrte im Schweigen, um sich noch eine Weile an ihrer reizenden Schwäche zu weiden. Und das war wieder so ächt menschlich! Anfangs fand er die Dame sehr liebenswürdig, weil sie ihm wie ein ganz vollkommenes Wesen erschien, und jetzt dünkte sie ihm noch viel liebenswürdiger, weil sie eine kleine Schwäche zeigte.

Nach kurzer Pause nahm Frau von Bechen wieder das Wort:Ich bin gespannt auf die Deutung, welche Sie dem Bildwerk meiner Mosaik geben werden, vorab aber möchte ich über das Alter und den Kunstwerth derselben durch den Ausspruch eines so gewiegten und berühmten Kunst-Archäologen belehrt sein."

Nun war die Reihe der beschämten Verwunderung an dem Professor. Die schöne Frau hielt ihn für einen Archäologen! Also hätte er wohl die