Heft 
(1879) 25
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w. !s. Riehl in München.

Welt des Poeten aufblitzen, vergaß mein Vater stundenlang seine Seelenmarter. Als wir aber mit dem verlorenen Paradiese des großen Briten zu Ende gekommen waren, fuhr Ihr Bruder nicht fort, nun auch das , Wieder­gewonnene Paradies^ vorzulesen, denn er behauptete, hier sei die Kraft des Dichters erlahmt, wie ja Überhaupt der zauberhafte Mondstrahl jeglicher Poesie nur in der Dämmerung leuchte. Und so meinte er, es gebe nur ein achtes und unvergängliches Buch vom wiedergewonnenen Paradiese, welches eben darum kein Gedicht sei das Evangelium. Mit der ganzen Gewalt seines dichterischen Geistes zeichnete er uns dann die reine Lichtgestalt Christi in dessen eigenen Worten, daß wir gleichsam mit Augen den Sonnenschein des Paradieses sahen, wie er während der kurzen Jahre, die der Herr auf Erden wandelte, diese dunkle Welt bestrahlt hat. Aber dieses wiedergewon­nene Paradies so meinte Ihr seliger Bruder gehe uns auch täglich wieder verloren, und wir müßten es fort und fort wieder zu gewinnen trachten; denn Gott schenke uns gar nichts, nicht einmal den Traum eines Paradieses; und so möge der Mensch immerhin mit den Thieren den Kampf um's Dasein kämpfen, aber für sich allein kämpfe er den Kampf um das verlorene Paradies.-

Das waren die einzigen Gedanken, welche die Nacht des Trübsinns meines Vaters zeitweilig zu erhellen vermochten, und so wurde ihm zuletzt auch der Todeskamps leicht, weil er im Rückschauen auf das verlorene und wiedergewonnene Paradies hinüberschlummerte."

Mit halblauter Stimme, den Blick zum Boden gesenkt, hatte Frau von Bechen das Alles so vor sich hin gesprochen. Sie fuhr plötzlich empor, wie aus einem Traum erwachend und sagte lächelnd, den Gast hell anblickend: War es nicht ein seltsames Zusammentreffen, daß das erste Wort, welches Sie an mich richteten, gleichfalls dem verlorenen Paradiese galt? Und daran war die Archäologie schuld und mein Mosaikboden. Und diese Mosaik will ich Ihnen jetzt zeigen!"

III.

Der Weg zum Fundorte des alten Kunstwerkes führte fast durch den ganzen Park.

Alcuin Walter ging schweigend neben der Dame, die gleichfalls kein Wort redete. Wenn man sich recht tief ausgesprochen hat, dann muß man sich eine Weile ausschweigen. Allein obgleich der Professor so ganz in Gedanken dahin­ging, bemerkte er doch nebenbei, wie sorgsam und geschmackvoll der ganze Garten gepflegt war. Nirgends eine leere oder verwilderte Stelle; kein welkes Blatt, das die reinen Pfade verunziert hätte; jede Pflanzengruppe am rechten Ort, kein Vordrängen, Ueberwuchern und doch auch kein steifer Zwang: das anmuthig maßvolle Wesen der feinsinnigen Besitzerin schien sich hier auch der Natur mitgetheilt zu haben.