W. k). Riehl in München.
„Was ist nun Ihr Urtheil?" fragte Frau von Bechen endlich, nachdem sie lange genug auf ein Wort aus dem Munde des Gelehrten gewartet hatte.
„Mein Urtheil? worüber?" fragte dieser seinerseits verwirrt.
„Nun ich denke über den Mosaikboden, der da vor uns liegt."
„Verzeihung, gnädige Frau, wenn ich diesen alten Boden bis jetzt noch sehr unaufmerksam betrachtet habe; — es ist ohne Zweifel ein merkwürdiger Fund. — Sie würdigten mich vorhin Ihres Vertrauens, — Sie erzählten mir Einiges aus Ihrem Leben, — so viel und so wenig, daß ich in wärmster Theilnahme noch weit mehr zu erfahren wünschte; — ein merkwürdiger Fund! Diese Doppel-Mäander schlingen sich so anmuthig in einander, ein Sinnbild des ohne Anfang und Ende in geheimnißvoller Verflechtung dahinschwebenden Seins und Werdens, und dieser Meergott — "
Er hielt inne, das Bild genauer untersuchend und offenbar jetzt plötzlich ganz von diesem Gegenstände gepackt. Seine Augen glänzten mit einem Male begeistert, und errief mit erschreckendem Ungestüm: „Wunderbar! Herrlich!
Welch' ein Glück!" — -
Frau von Bechen sah ihn staunend an; sie wußte garnicht, was plötzlich so Herrliches und Wunderbares aus dem alten Fußboden geworden sei, der dem Professor vor fünf Minuten noch kaum eines Blickes wertst geschienen.
„Diese Mosaik," so fuhr er etwas ruhiger fort, „hat hohen kunstgeschichtlichen Werth, sie ergänzt eine schmerzlich empfundene Lücke, wofern mich mein Auge nicht trügt, mein Gedüchtniß nicht täuscht — und wofern die Hypothese richtig ist, die mir eben durch den Kopf fährt."
Da der Professor wiederum schwieg, so nahm die Dame das Wort: „Sie sagten vorhin, der Archäolog übe die Kunst, da etwas zu finden, wo nichts ist, und etwas zu sehen, wo andere Leute nichts sehen. Ich gehöre zu den anderen Leuten, und Sie selbst sind, wie mir scheint, mit einemmale Archäolog geworden!"
„Nein! ich gehöre auch zu den anderen Leuten, und eben darum halte ich noch zurück mit meiner Hypothese. Aber die Archäologie ist eine ansteckende Krankheit. Es lockt mich mit dämonischer Gewalt, den Text dieser Steine zu entziffern. Sagte ich nicht, die Archäologie hat etwas ewig Beunruhigendes? Sie reizt und befriedigt nicht, und seit Sie mich zum Archäologen gemacht, hat auch mich diese Unruhe gefaßt. Vielleicht täusche ich mich über den Werth Ihrer Mosaik; das einzig Gewisse in der Welt bleibt zuletzt doch immer — ein Buch; hat das nicht mein Bruder auch so gesagt? — ich meine freilich zunächst ein Quellenbuch oder ein Gesetzbuch der Kritik. Ich muß Bücher nachschlagen, um meiner Vermuthung gewiß zu werden, und das kann ich nur morgen früh auf der Trierer Stadtbibliothek. Gestatten Sie mir darum abzubrechen — an der Pforte des Quellenstudiums."
Frau von Bechen gestattete dies gern, bat aber den Professor, morgen Nachmittag wieder zu kommen und ihr vom Ergebniß seiner Studien zu