Das verlorene Paradies. - ss
berichten. Er hatte diese Bitte im voraus gewünscht, und versprach also auch sehr gern sie zu erfüllen.
So schieden sie.
Beim Nachhausegehen sprangen die Gedanken des Gelehrten fortwährend herüber und hinüber von der alten Mosaik zu der jungen Frau und von der jungen Frau zu der alten Mosaik. In der Besitzerin der unnahbaren Villa hatte er eine Sonderlingsnatur erwartet, die er leicht übersehen, an deren Launen er sich vielleicht belustigen könnte, und statt dessen fand er eine Frau von so sicherem Wesen, so feinem Takt, so reichem Gemüth, deren eigenartiger Charakter von Geheimnissen umhüllt war, die ihn ernst und tief bewegten und zur wärmsten Theilnahme zwangen. Und es dünkte ihm, als sei die Ergründung einer Menschenseele und eines Menschenschicksals fast noch dämonischer bestrickeiw wie die Probleme der Kunst-Archäologie, jedenfalls aber mehr archäologisch aufregend als philologisch beruhigend.
IV.
Am andern Morgen konnte er kaum die Bibliothekstunde erwarten und trat voller Spannung in das Directionszimmer der berühmten städtischen Bücherei.
Es war ein angenehm frischer Tag, ein Nachtgewitter hatte die gestrige Augusthitze erquickend abgekühlt. Aber in dem Zimmer brütete eine Gluth, daß Walter an der Thüre zurückprallte: 23 Grad Röaumur — der Bibliothekar hatte eingeheizt! Der treffliche Mann hatte nämlich lange Zeit in Batavia gelebt, bevor er diesen Ruheposten fand, sein verlorenes Paradies lag unter den Palmen der ostindischen Inseln, und er träumte sich erst dann recht warm in das selige Behagen seiner Bücherherrschast, wenn andere Leute einen Schlaganfall fürchteten.
Ein frischer Greis, das glühend rothe Gesicht von lang herabfallendem schneeweißem Haar und einem mächtigen, weißen Bart umrahmt, fragte er den Professor artig nach seinem Begehren.
In etwas zweifelndem Tone fragte dieser wiederum, ob etwa der französische Bericht über die lüxpsäition 86isntillgns äs 1a Norss von 1831 hier zu'finden sei?
Der Alte gab gar keine Antwort, sondern deutete nur durch Blick und Miene an, daß es beleidigend sei, bei einer so ausgezeichneten Bibliothek überhaupt an dem Vorhandensein irgend eines Buches zu zweifeln, schlug flugs den richtigen Band des Kataloges auf, rief dem Diener zu: „^rts8, 3534!" Der Diener flog davon und in wenigen Minnten lag das gewünschte Buch aus dem Tische.
„Es ist mein Stolz, daß man hier nach einem Buche nur selten vergebens fragt," sagte der Bibliothekar, „und es ist meine Freude, wenn ein vorhandenes Buch nicht ausgeliehen daß ist, so ich die Leute befriedigen kann;