Heft 
(1879) 25
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Das verlorene Paradies.

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er.Nein! wie sollten die hierher kommen! Ihr Mosaikboden ist römisch, er ist aber griechisch als römische Mosaik. Griechische Mosaikböden, die griechisch wären, gibt es in der ganzen Welt nicht mehr, nicht einmal in Griechenland. Das ist ja gerade das Merkwürdigste bei der Sache. Vor vierzig Jahren gab es noch ein kleines Stück griechisch griechischer Mosaik es ist zerstört worden; es fand sich im Pronaos des Jupitertempels zu Olympia und wurde dort von den Franzosen ansgegraben. So kennen wir es denn auch nur noch aus der Abbildung des französischen Berichtes; sehen Sie hier"

Bei diesen Worten schlug der Professor das Buch auf, welches er mit­gebracht.

Das ist ja mein Mosaik! Die Mäander, die Palmetten, der Meergott!" rief Frau von Bechen.Genau dieselben Formen, ja dieselben Farben!"

Allerdings. Und mein Gedächtniß hatte mich gestern nicht getäuscht. Wir besitzen in Mosaik mehrere römische Copieen nach längst verlorenen griechischen Originalen, wie die Alexanderschlacht von Pompeji, den Centauren- kampf in Berlin. Aber ist es nicht wunderbar, daß die getreue römische Nach­bildung der einzigen ächt griechischen Mosaik, die ein modernes Auge gesehen, sich nun hier wiederfindet! Olympia und Trier! Und mehr noch. Diese Copie ist vollständiger als jenes Original-Fragment, welches die Franzosen gesunden. Denn wir haben hier noch den Anfang eines zweiten Quadrates mit zwei Figuren, die allerdings greulich verdorben sind. Sie stellen ent­weder einen Mann und ein Weib dar, oder zwei Männer oder zwei Frauen; ein Drittes ist nicht wohl denkbar, es müßte denn .ein besonders scharfes archäologisches Auge am Ende gar eine Thiergestalt heraussehen. Aber wenn man sich auch geeinigt haben wird über Mann oder Weib, Mensch oder Thier, dann wird erst die rechte Controverse beginnen über die Frage, welche Männer und Frauen oder Thiere im ganzen weiten Kreise des mythologischen Personals gemeint seien, und so ist die wissenschaftliche Anregung, welche die gelehrte Welt aus der Enträthselung dieser zwei nicht mehr zu enträthselnden Figuren schöpfen wird, geradezu unabsehbar. Ich meine dies im Ernst. Die größten Thaten des Gedankens wurden überall dadurch vollbracht, daß die Denker zu entschleiern suchten, was ewig ein Geheimniß bleiben wird."

Bei den letzten Worten sprach Frau von Bechen tief bewegt:Nun höre ich wieder die Stimme Ihres verstorbenen Bruders! Wie oft hat er uns mit anderen Worten dasselbe gesagt!"

Als sie zur Villa zurückgingen, waren Beide anfangs sehr nachdenklich, Plötzlich aber fragte die Dame ihren schweigenden Begleiter, wie er sich denn den griechischen Tempel denke, der über der Mosaik erbaut werden solle?

Nicht eigentlich einen Tempel," antwortete Jener,sondern eine offene Halle mit Säulen jonischer Ordnung. Der Mosaikboden, von einem Umgang umgeben und durch ein zierliches Geländer geschützt, ist maßgebend für die ganze Anlage. Ob Seitenlicht oder Oberlicht günstiger, das wird vorerst noch zu ermitteln sein, und darnach wird der Architekt seinen Aufbau frei und