Das verlorene Paradies.
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deren ich mich im Augenblick entsann; sie wird persönlich in dem Friedenshain Ihrer Büchersäle erscheinen, daß Sie das Register vervollständigen. Die Welt kommt zu ihr hinauf in den Park und sie steigt herunter in die Einsamkeit Ihrer Bibliothek. Sie wird genesen! Der alte Thiersch Pflegte zu sagen: ein rechter Philolog kann drei Dinge: — einen Autor interpretiren, einen Staat regieren und eine Armee commandiren, und ich füge als viertes hinzu: eine schöne Frau curiren; denn das Alles lernt man bei den alten Classikern."
Die Freunde wollten Näheres wissen, allein der Professor schwieg aus alle Fragen, beschämt als habe er schon zu viel gesagt.
V.
Am 10. August machte Professor Walter feinen Abschiedsbesuch auf der Villa. Er wäre so gern noch länger in Trier geblieben! Zuerst hatte ihn die Stadt gefesselt, dann die Freunde, zuletzt die Freundin; allein es mußte geschieden sein. Auch sie empfand die nahe Trennung tief; war er doch der erste Mensch gewesen, dem sie sich seit langer Zeit wieder einmal genähert hatte! Auch in der Freundschaft gelten Verwandtschaftsgrade, und so war ihr der Bruder des verstorbenen Freundes sofort ein angestammter Freund gewesen, dem sie ihr sprödes Wesen erschließen konnte.
Sie war am letzten Tage mittheilsamer als je, sie erzählte viel aus ihren: früheren Leben, allein immer nur aus ihrer Mädchenzeit.
Plötzlich hielt sie ein und sprach: „Ich muß Ihnen doch auch von
meinen: Manne erzählen." Dann schwieg sie wieder.
„Sie waren unglücklich verheirathet," bemerkte der Freund, um sie zum Fortfahren zu bewegen.
„Ich war verheirathet? Nein! Ich bin es noch. Wir leben getrennt, freiwillig getrennt und werden es bleiben, geschieden sind wir nicht. Hören Sie, wie das gekommen ist. Die traurigste Zeit meines Lebens war zugleich die glücklichste, eine still beglückte. Ich habe Ihnen diese Zeit schon öfters und gerne geschildert. Ich hatte damals einen Beruf, einen vollen, anstrengenden Lebensberus, — meinen kranken, schwermüthigen Vater zu Pflegen und zu erheitern. Ich habe vor- und nachher niemals wieder einen Beruf gehabt, — ach wie war das beglückend! Und ich hatte einen Freund, Ihren Bruder, der nur den höheren Sinn des Lebens erst erschloß, der mir das Leben erst lebenswerth machte. Ich träumte, das werde immer so fortgehen; Ihr Bruder wußte, ahnte nicht, wie tief ich ihn in mein Herz geschloffen — da starb er, ein halbes Jahr vor meines Vaters Tode. Wie war es mit einemmale leer geworden bei uns, und nun erst erkannte ich entsetzt, daß es bald noch leerer werden müsse. In jener Zeit trat eine neue Gestalt in die Einsamkeit unseres Schlosses, — mein künftiger Gemahl. Der Sohn eines deutschen Vaters und einer englischen Mutter, in Petersburg geboren, hatte er bereits eine Hoffnungs-
Nord und Süd. H, 25. 2