Heft 
(1879) 25
Seite
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reiche diplomatische Laufbahn in der russischen Hauptstadt begonnen, die er auf einige Jahre unterbrach, um Europa kennen zu lernen. Verwandtschaft­liche Empfehlungen er ist mein entfernter Vetter führten ihn auf dieser Reise auch in unser stilles Schloß. Und ich war die Ursache, daß er statt acht Tage acht Wochen bei uns blieb. Er ist ein vollendeter Cavalier und Weltmann; ein so unweltläusiges Laudsräulein wie mich, mochte er in Peters­burg wohl niemals gesehen haben; der Reiz der Neuheit und des Gegensatzes fesselte ihn. Auch ich sah ihn gern, weil er meinen Vater zerstreute; er glaubte, ich sehe ihn gern, weil ich ihn gern sähe Er warb um meine Hand und mein Vater befürwortete die Werbung. Ich widerstrebte anfangs. Mein Vater fühlte, daß es mit ihm zu Ende gehe; sein stiller Kummer war, mich allein in der Welt zu lassen, er faßte mein Jawort als mein höchstes Liebes- opfer für ihn und ich gab es. Unsere Vermählung war des Vaters letzte Freude; er glaubte uns glücklich. Wenn er jetzt als seliger Geist mich umschwebt, kann er da noch ganz selig sein? Denn er weiß dann, daß ich unglücklich geworden bin. Und doch wenn ich sage, ich bin unglücklich, so ist das eine Sünde, und wenn ich sage, .ich bin glücklich, so ist's eine Lüge. Was bin ich denn? In einem schattenhaften, licht- und farblosen Zwischenzustand stehe ich zwischen Glück und Unglück.

Denken Sie, ich hatte meinen Mann gern, und er liebte mich glühend. Wir waren ein stattliches Paar wie für einander geschaffen, sagten alle Leute. Alter, Stand, Besitz, Bildung, Alles paßte, und mein Mann war edel und gut. Nur in einer Kleinigkeit unterschieden wir uns zunächst, und aus dieser Kleinigkeit quoll eine Welt von Gegensätzen: er wollte beständig reisen und ich wollte daheim bleiben. Wir machten eine Hochzeitreise nach Koustantinopel; er hätte sie gerne auch noch nach Syrien und Aegypten fortgesetzt, allein ich hielt ihn zurück. Es giebt nichts Entsetzlicheres als diese Hochzeitreisen! Jede Ehe beginnt mit Enttäuschung, weil sich die vorgeträumte Seligkeit niemals sofort erfüllen kann, sondern erst im Laufe der Zeit, und dann ganz anders als wir gedacht. Und nun verbittern wir uns die bittern Honigwochen noch durch all die Unruhe und das Ungemach einer großen Reise! Mein Mann hatte gar kein Organ für dieses Ungemach, es gefiel ihm, er hätte gleich unser ganzes Leben zur Hochzeitsreise machen mögen. Er drohte mir, den ,Roman eines Opitmistew zu schreiben unter dem Titel: ,Das Leben eine Hochzeit­

reise! - Er bedurfte der großen Welt selbst für die Poesie des Herzens; ich fand diese nur, wenn ich mich vor jener verbarg. Als Deutscher hatte er den Petersburger Kreisen der Diplomatie und des Hofes imponirt durch sein ungezwungenes sicheres Auftreten, während andere deutsche Diplomaten wegen ihres kleinbürgerlichen Wesens geringgeschätzt oder wegen ihrer prahlerisch plumpen Nachahmung französischer und russischer Art verlacht wurden. Er sah seine Zukunft in Petersburg, er wollte wieder dorthin zurück, ja der sonst so kluge Mann glaubte thörichterweise mit mir dort Ehre einlegen zu können. . Ich suchte ihn davon abzubringen wie von einem Verhängniß, ich verkümmerte