Das verlorene Paradies.
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ihm seinen Lebensberuf. Und ich entdeckte, daß ich als Frau keinen Beruf mehr fand, während ich ihn als Mädchen besessen hatte. Mein Glück lag in der Vergangenheit, in dem weltvergessenen Laubenstein; war es unrecht, daß ich meinen Gmahl dorthin zurückzudrängen, dort zu fesseln suchte? Er aber wollte mich jener Idylle entreißen, deren Zauber ihm unfaßbar war.
Seine Liebe zu mir siegte zunächst. Wir kehrten nach dem verwaisten Schlosse zurück; er versprach, ein ganzes Jahr zu Hause zu bleiben und den Landedelmann spielen zu lernen. Er brachte es nicht fertig, und gerade diese ersehnte Einsamkeit entfremdete uns täglich mehr. Man kann nicht glücklich sein, wenn man sich langweilt, und er langweilte sich furchtbar. Nach drei Monaten erbat er meinen Urlaub und ging auf Reisen; er kam nach acht Wochen auf vierzehn Tage zurück. Dann ging er auf sechs Monate und kam auf drei Tage, dann auf ein Jahr und kam auf einen Tag; zuletzt kam er gar nicht mehr. Wir haben uns getrennt, indem wir immer weiter auseinander gingen, geschieden, nicht vor Gericht, sondern in unfern Herzen. Wer wird auch so plebejisch sein, mit einem Scheidungsantrag vor den: Consistorium zu erscheinen! Eine seine Frau meidet die Behörden, wie die Gastwirthe und Kellner und Eisenbahnschaffner.
Mein Leben war zerstört. Denn auch auf Schloß Laubenstein fand ich keine Ruhe, es war mein altes Schloß nicht mehr. Ich bedurfte einer neuen, fremden Einsamkeit, um wieder zu genesen. So kam ich hierher. Mein Vermögen hatte ich von Anbeginn selbständig behalten, das Band mit meinem Manne war nur ein persönliches. Er reist noch immer, und ich erkundige mich insgeheim zwischendurch, wo er gerade ist und wie es ihm geht. Er aber weiß nicht, daß ich hier bin; er hat seit Jahren nichts von mir erfahren."
Hier brach die arme Frau ab, weil ihr das Weinen nahe stand.
Der Professor war viel zu feinfühlig, als daß er nun mit rathenden oder tröstenden Worten gekommen wäre. Er schwieg, bis sie sich gesammelt hatte, nur von anderen Dingen zu reden.
Erst am späten Abend verabschiedeten sie sich.
„Darf ich Ihnen dann und wann in wenigen Zeilen brieflich wieder nahen und ein Lebenszeichen von Ihnen hoffen?" fragte er sehr schüchtern beim letzten Händedruck.
„Ich bitte, schreiben Sie mir nicht," erwiderte die Dame fest und doch weich. „Halten wir unsere Begegnung fest wie einen schönen Traum, bis er mit allen Träumen verschwebt. Es peinigt mich, Briefe zu schreiben und es ängstigt mich Briefe zu empfangen. Ich erbreche jeden mit Herzklopfen; der Postbote ist der schrecklichste Störenfried: denn er kommt täglich und man kann ihn nicht abweisen. Leben Sie Wohl — vielleicht sehen wir uns dennoch wieder!"
Dies waren ihre letzten Worte.
Des andern Tages führte die Eisenbahn den Professor gen Süden. Als er vor sechs Wochen nach Trier gekommen war, hatte der erste Blick
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